Girls Girls Girls (2022)

Auf der Suche nach dem dreifachen Lutz

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Der erste Sex beziehungsweise der Weg dorthin wurden unter anderem in der deutsch-israelischen Co-Produktion „Eis am Stiel“ (1978) sowie in US-Jugendkomödien wie „Porky’s“ (1981) oder „American Pie“ (1999) zumeist als endloser Parcours der pubertären Peinlichkeiten präsentiert. Die unangenehmen, chaotischen Situationen mit zahlreichen Hindernissen und Missgeschicken wurden dabei stets aus männlicher Perspektive geschildert. Die Frauen blieben Objekte der Begierde, deren Sicht allenfalls eine untergeordnete Rolle spielte.

Unter den wenigen Ausnahmen fanden sich wiederum Werke, die den grobschlächtigen Humor dieser Filme über junge Männer eher kopierten, statt eigene Pfade zu beschreiten, etwa die in Manhattan angesiedelte Indie-RomCom Coming Soon (1999) oder der deutsche Ulk Mädchen Mädchen! (2001). Vor allem im Queer Cinema entstanden hingegen zuweilen äußerst gelungene Beispiele, wie sich auf sensible und doch oft spaßige Art und Weise von ersten sexuellen Erfahrungen aus einem weiblichen Blickwinkel erzählen lässt – darunter moderne Klassiker wie Lukas Moodyssons Raus aus Åmål (1998) oder Jamie Babbits But I’m a Cheerleader (1999), aber auch neuere Beiträge wie Leonie Krippendorffs Kokon (2020).

In diese Reihe lässt sich Girls Girls Girls, der dritte Langfilm der 1977 in Helsinki geborenen Regisseurin Alli Haapasalo, stellen. Das Coming-of-Age-Abenteuer steckt voller Gefühl und Witz und nimmt die Sehnsüchte und Ängste seiner drei Protagonistinnen ernst. Auf Basis des Drehbuchs von Ilona Ahti und Daniela Hakulinen folgt Haapasalo den Schülerinnen Mimmi (Aamu Milonoff), Rönkkö (Eleonoora Kauhanen) und Emma (Linnea Leino).

Mimmi trägt eine schwarze Lederjacke zu einem überwiegend finsteren Gesichtsausdruck und reagiert beim Hallenhockey schnell gereizt; Rönkkö wirkt mit ihren rotblonden Locken und ihrem Lippenstift in Hellrosa wie ein nimmermüder Sonnenschein. In einer klischeehaften Geschichte könnten die beiden sich gewiss nicht leiden – hier sind sie indes beste Freundinnen, die in einem Smoothie-Stand in einem suburbanen finnischen Einkaufszentrum jobben und dort Drinks mit Namen wie „Lime of passion“, „One in a Melon“ oder „It Takes Two to Mango“ mixen, während sie nebenbei über Oralsex und Orgasmen plaudern.

Emma, die Dritte im Bunde, ist Eiskunstläuferin und will zur EM. Sie ist überaus hart und streng mit sich selbst – und droht daran zu verzweifeln, den dreifachen Lutz (einen ziemlich schweren Sprung) plötzlich nicht mehr zu beherrschen. Mimmi und Emma kommen sich näher – was vom Skript und dessen Umsetzung in schönen, kitschfreien Momenten erfasst wird. Und auch die Konflikte, die sich bei aller Verliebtheit auftun, muten nicht konstruiert an, sondern ergeben sich glaubhaft aus den unterschiedlichen Biografien und Hintergründen der Figuren. Schafft es Mimmi, Emma wirklich an sich heranzulassen? Und kann Emma die Balance aus dem Verfolgen ihrer Eiskunstlauf-Ziele und der nötigen Befreiung aus ewigen Trainingseinheiten finden?

Rönkkö muss derweil erkennen, dass sie den Sex mit ihren Partnern bisher nicht genießen kann. „Sag einfach, was du willst“, rät ihr Mimmi – und so begibt sich Rönkkö auf eine Erkundungstour ohne eine Spur der anfangs beschriebenen Peinlichkeit. Das Trio ist am Schluss von Girls Girls Girls noch längst nicht am Ende der Reise angekommen. Denn wer ist das schon in diesem Alter (beziehungsweise jemals)? Vielmehr sind Mimmi, Rönkkö und Emma bereit, sich lustvoll und beherzt in die nächste Runde zu stürzen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/girls-girls-girls-2022