Smile - Siehst du es auch? (2022)

Lachen, bis der Tod kommt

Eine Filmkritik von Florian Koch

Ein ausgelassener Kindergeburtstag. Die nervöse Rose (Sosie Bacon, Tochter von Kevin Bacon) taucht plötzlich auf. Niemand, auch nicht ihre Schwester Laura (Caitlin Stasey), haben mit ihr gerechnet. Zu gereizt wirkte die Psychiaterin zuletzt. Von einem nicht greifbaren Wesen sieht sich Rose verfolgt, seit eine Patientin, mit einem manischen Lächeln im Gesicht, vor ihren Augen Suizid beging. Doch an diesem Nachmittag will sie sich ablenken, in die Normalität zurückfinden, mit einer historischen Spielzeug-Lok als Geschenk für ihren knuffigen Neffen Jackson (Matthew Lamb). Doch als der Bub das Geschenkpapier aufreißt und in den Karton hineinblickt bleibt ihm das freudige Lachen im Halse stecken.

Wenn der Alltag ins Extreme kippt und nicht einmal familiäre Rituale eine Sicherheit ausstrahlen, weiß der Horrorfilm sich zuhause. So wie Smile, in dem der US-Amerikaner Parker Finn in Anlehnung an seinen Kurzfilm Laura Hasn’t Slept sein Langfilmdebüt gibt. Ganz ähnlich wie einst Roman Polanski in Rosemaries Baby oder zuletzt auch David Robert Mitchell in It Follows haftet sich Finn in jeder Szene an seine weibliche Hauptfigur. 

Die Zuschauer*innen lernen diese Rose in der vielschichtigen Darstellung von Sosie Bacon, die hier in ihrer ersten großen Hauptrolle zu sehen ist, als eine einfühlsame, etwas überarbeitete Psychiaterin kennen, die aber selbst noch nicht austherapiert ist. Den Suizid ihrer Mutter hat sie als Kind hautnah erlitten. Ein Trauma, das sich nicht so leicht abstreifen lässt und das in Smile zu einem Dämon wird, der sich wie ein Parasit von Mensch zu Mensch überträgt und auch Rose wie ihre unsensiblen Mitmenschen an ihrem Verstand zweifeln lässt. 

Mit der Fratze eines grausam übertriebenen Lächelns hat Finn einen starken Gruseleffekt dafür gefunden, was in Rose und den anderen Opfern seelisch in Trümmern liegt. Ebenso schlüssig gelingt dem Regisseur auch die Darstellung der zunehmenden Isolation seiner Hauptfigur. Gerade der Verlobte, Trevor (Jessie T. Usher), stellt keine Hilfe dar, verkörpert den Typus Mann, mit dem man eine oberflächliche, nach außen hin glückliche Beziehung führt, der sich aber in Anbetracht von Problemen, gerade psychischer Art, zurückzieht und eiskalt abwehrend reagiert. Im Gegensatz dazu steht dann ihr Ex-Freund Joel (Kyle Gallner). Ein Polizist, der Rose zuhört, Vertrauen schenkt, so abstrus sich ihre Wahnvorstellungen auch anhören. Schlüssig erklärt der Film auch, warum ihre Beziehung einst in die Brüche ging: Rose war nicht bereit, sich den Dämonen ihrer Vergangenheit zu stellen, flüchtete in die Arbeit, in die Ablenkung. Ein Fehler, wie sich später herausstellt.

Auch formal weiß der Film, der überhaupt erst nach positiven Testvorführungen die Chance auf einen Kinostart erhalten hat, zu überzeugen. Finn verzichtet gerade zu Beginn auf schnelle Schnitte, einen manipulativen Soundtrack. Er vertraut auf lange Einstellungen, bedrohlich langsame Kamerafahrten, in der der Winkel auch mal um mehr als 90 Grad kippt und damit die aus der Angel gehobene Wahrnehmung von Rose klug illustriert. Erst gegen Ende bedient Finn die Klischees des Genres, mit aufdringlichen Jump Scares und auch mal einen Ausflug in den Body Horror. Mit dieser Genre-Konvention entgleitet dem Regisseur ein wenig die durchaus tiefsinnige Auseinandersetzung mit dem Generationen übergreifenden Trauma eines Suizids. Und dennoch bleibt der Film eine durchaus sehenswerte Talentprobe eines Regiedebütanten. Fast noch mehr Respekt verdient aber das Wagnis eines großen US-Studios (Paramount), einer wenig bekannten Schauspielerin die Chance zu geben, einen ganzen Film in nahezu jeder Szene zu tragen. Ein Mut, der sich im Fall von Sosie Bacon ausgezahlt hat.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/smile-siehst-du-es-auch-2022