Prey (2022)

Der Predator, der Fünfte: Im Wilden Westen nichts Neues

Eine Filmkritik von Markus Fiedler

1987 leitete Arnold Schwarzenegger ein Team aus Elitesoldaten in den Dschungel, um eine geheime Mission für die Regierung zu erledigen. Und fand dort deutlich mehr als er gesucht hatte – einen außerirdischen Superjäger, der sich als Ein-Mann-Armee mit in seinen Augen ehrenvollen, weil starken Gegnern anlegte. Und erst von der steirischen Eiche gefällt wurde. Der blutige, aber spannende Film spielte genug ein, um eine Franchise loszutreten. Der nächste "Predator" kam nach Los Angeles und damit in den Einflussbereich eines Cops, den der damalige Lethal Weapon-Star Danny Glover verkörperte, danach beschloss Rechteinhaber Fox, seine beiden Alien-Rassen in einen Film packen und nach Comicvorbild Aliens gegen Predators antreten zu lassen – gleich zwei Mal. Dass aber die Marke durch jeden weiteren Film immer mehr beschädigt wurde, änderten auch Ausflüge auch den Heimatplaneten der Predators und ein Reboot von Autor und Regisseur Shane Black nicht, der als Schauspieler noch Teil des Schwarzenegger-Teams im ersten Film war.

Als Disney die Lizenzen von Fox kaufte, waren die Fans gespannt, ob sich bei den Aliens oder den Predators nun wieder etwas tun würde. Während eine weitere Fortsetzung von Ridley Scotts klaustrophobischem Meisterwerk eines Slowburners und James Camerons Action-Horror-Gewitter noch auf sich warten lässt, gibt es für Fans des schweigsamen Jägers aus dem All nun Nachschub. Und der stammt von Dan Trachtenberg, der 2016 mit 10 Cloverfield Lane ein starkes Langfilm-Debüt inszenierte, bevor er mit einer Episode von Black Mirror überzeugte und mit der ersten Folge der Anti-Superhelden-Serie The Boys den Grundstein für deren Erfolg legte. Und während sich inhaltlich mit dem Prequel Prey letztlich nicht viel tut, kommt das neue Setting, der von Weißen noch weitgehend unberührte amerikanische Kontinent mit seinen indigenen Stämmen, deutlich frischer um die Ecke.

Das verdankt Trachtenberg einem guten Drehbuch, dass sich viel Zeit nimmt, um die Figuren aus dem Stamm der Comanchen und deren Lebensweise im frühen 18. Jahrhundert zu zeigen. Und dabei sowohl eine starke Frauenfigur aufbaut als auch den alltäglichen Überlebenskampf der Ureinwohner ohne falsche Romantik oder übertriebenem Pathos zeigt. Autor Patrick Aison, bislang nur als Serienschreiber bekannt, legt mit seinem ersten Film-Script gleich eine sehr ordentliche Arbeit vor, die sowohl Interesse an ihren Helden weckt als auch verschiedene Nebenplots gut in die Hauptstory integriert. Und die sich traut, den Antagonisten in den ersten 30 Minuten des Films kaum einmal zu zeigen.

Ob Prey einem Zuschauer zusagt, steht und fällt aber mit Amber Midthunter und ihrer Figur der jungen Naru. Denn diese Rolle ist das Herz des Films und zeigt nicht nur eine Emanzipationsgeschichte mit historischem Bezug - bei einigen Stämmen waren Frauen durchaus auch Jägerin und Kriegerin – sondern auch eine Story über familiären Zusammenhalt und tödliches Männlichkeitsverhalten. Und Midthunter, die mit ihren 25 Jahren bereits auf eine mehr als 20-jährige Karriere zurückblicken kann, erfüllt die zentrale Figur der Story mit so viel Leben und Intensität, dass Prey buchstäblich keine ruhige Minute hat. Denn egal, was die junge Naru versucht, um von den männlichen Jägern des Stamms endlich anerkannt zu werden, es ist immer interessant mitanzusehen. Trachtenberg gelingt es dabei, die Schönheit aber auch die Gefahr der Natur als wichtigen Teil des Films zu etablieren und sich eben nicht nur auf die Schauwerte des außerirdischen Besuchers zu verlassen. Auch wenn so manches CGI-Raubtier optisch nicht so ganz überzeugt.

Aber Prey bietet genug handgemachte Effekte und spektakuläre Stuntsequenzen, um Bären und Pumas aus dem Computer vergessen zu machen. Trachtenberg ist in den wenigen, aber mit ordentlich Kunstblut inszenierten Kampfszenen zwischen dem Predator und seinen Opfern auch nicht gerade zimperlich. Und so muss sich der Film in Sachen Brutalität nicht hinter seinen Vorgängern verstecken. Allerdings bleibt auch Prey trotz des originellen Schauplatzes im frühen Wilden Westen der USA innerhalb der bereits hinlänglich bekannten Verhaltensmuster von Jäger und Beute und hat der Marke inhaltlich nichts Neues hinzuzufügen. Da das aber gerade im Horrorbereich sehr regelmäßig passiert, dürfte sich die Enttäuschung darüber bei der Zielgruppe in Grenzen halten.

Denn Prey ist ein optisch frisches, stark besetztes und meist gut inszeniertes Katz-und-Maus-Spiel mit einigen Gewaltspitzen, ein paar guten Ideen und einer furios aufspielenden Amber Midthunter, die sich mit diesem Film für weitere Aufgaben als Leading Lady empfehlen dürfte. Dan Trachtenbergs Film schlägt vielleicht nicht den gut gealterten und mit bösem Witz durchzogenen Original-Film, kann sich aber gegen alle weiteren Fortsetzungen problemlos behaupten und dürfte bei vielen Fans der Reihe als neue Nummer zwei im Ranking landen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/prey-2022