Indiana Jones und das Rad des Schicksals (2023)

Auf der Suche nach dem letzten Abenteuer

Eine Filmkritik von Michael Gasch

Die Weltpremiere von „Indiana Jones 5“ auf den Filmfestspielen von Cannes sorgte selbst beim mittlerweile 80-jährigen Harrison Ford für die eine oder andere Träne. Seine Worte zu dem Abschlussfilm der ikonischen Abenteuerreihe werden wohl lange nachhallen: „Ich sah soeben mein ganzes Leben vor meinen Augen aufflackern!“ Tatsächlich sind die Freudentränen nachvollziehbar. Der Abschied mag nicht perfekt sein, mitreißend ist er dennoch geworden.

Nach Nummer vier, der sich nicht wirklich nahtlos in die Originaltrilogie einfügte, war lange Funkstille, was einen nächsten Teil der Filmreihe anbelangt. Die große Frage, die nun im Raum steht, ist offensichtlich: Macht Indiana Jones 5 genau dieselben Fehler wie sein Vorgänger? Die Antwort: Nein, dafür aber andere.

Um diese zusammenzufassen, bietet sich der Vergleich zu einer anderen populären Filmreihe an: den Terminator-Filmen. Nach den Original-Meisterwerken von James Cameron gab es viel Hin und Her. Jeder neue Regisseur brachte eigene Ideen ein und lenkte die Geschichte in neue Richtungen. Eine eigentliche Vision war irgendwann kaum mehr erkennbar. So ähnlich verhält es sich auch mit Indiana Jones 5, der mit James Mangold einen neuen Regisseur aufbietet und sich an keinem seiner Vorgänger so wirklich orientieren will.

Eine Story mit Nazis, abenteuerlichen Verfolgungsjagden und mysteriösen Artefakten? Ist das nicht Indiana Jones in Reinform? Klingt das nicht auffällig nach Jäger des verlorenen Schatzes und Indiana Jones und der letzte Kreuzzug? Die Kritik, Mangold würde nur alte Ideen kopieren, ist durchaus berechtigt. Doch sein Film ist viel besser als Teil vier, eine echte Weiterentwicklung im Hinblick auf das Gesamtwerk des ikonischen Abenteurers hätte dennoch anders aussehen müssen – es fehlt schlichtweg die große Vision.

Stattdessen vertraut man auf die gute alte Nostalgie, mit der die narrativen Lücken kaschiert werden sollen. Das noch größere Problem: Vor allem gegen Ende bekommt man das Gefühl, Indiana Jones hätte den ihm eigenen Charme gegen ein Marvel-Gewand getauscht. Der Look des modernen Blockbusterkinos nagt auch an der Ikone. Mit seiner ersten, ziemlich guten Hälfte legt der Film aber ein stabiles Fundament: ein Zug voller Nazis, eine adrenalingeladenen Verfolgsjagd, alles hochenergetisch in Szene gesetzt. So geht gelungene Action. Das glatte Finale kann da nicht mithalten.

Die Nebenfiguren umfassen sowohl alte als auch neue Sidekicks, die sich wunderbar ergänzen. Phoebe Waller-Bridge und besonders Mads Mikkelsen als Antagonist bringen fast schon einen eigenen ikonischen Touch mit, so als wären sie schon lange Bestandteil der Filmreihe. Das mysteriöse Artefakt hingegen ist erneut eine Schwachstelle. Wie um alles in der Welt lassen sich der Heilige Gral, die Bundeslade oder ein kristalliner Schädel einer außerirdischen Lebensform aus den vorherigen Filmteilen noch übertreffen? Wie es die Logik von Sequels will: Es muss eben noch eins draufgesetzt werden, was der Glaubwürdigkeit kaum zuträglich ist

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/indiana-jones-und-das-rad-des-schicksals-2023