Silverton Siege (2022)

Momentaufnahme und Thrill

Eine Filmkritik von Markus Fiedler

Südafrika 1980. Ein Quartett aus jungen schwarzen Widerstandkämpfer gegen Südafrikas rassistische Apartheidsregierung wollen einen Benzintank in die Luft jagen, mit der Polizei und Armee des Landes beliefert werden. Doch Anführer Calvin riecht eine Falle – und er hat Recht. Bei ihrer überstürzten Flucht in einem Lieferwagen werden sie bald von der Polizei verfolgt. Das kostet sie nicht nur ein Team-Mitglied, sondern auch das Auto. Als letzte verbliebene Rückzugsmöglichkeit nutzt das verbliebene Trio eine Bank. Und so beginnt ein Geiseldrama, das bald in etwas anderes umschlägt …

„Dies ist kein Bankraub!“ So lässt Regisseur Mandla Dube seinen Film nach tatsächlichen Ereignissen beginnen. Und wer nach Sicht des Trailers bei Netflix einen Actionkracher wie Ambulance erwartet, liegt auch falsch. Denn Silverton Siege mündet nach einer kurzen Rückblende, die zwar handwerklich solide gemacht, aber doch weitab von Michael Bays Actiongewitter ist, eher in ein Kammerspiel und Drama, in der die damaligen Verhältnisse in Südafrika im Mittelpunkt stehen.

Dabei ist die Story des Films inspiriert von wahren Ereignissen, wie es im Abspann heißt, es ist aber nur zu etwa 60 Prozent real, wie der Regisseur selbst sagt, da er eine „unterhaltsame Story und keine Dokumentation“ drehen wollte. Und so sind die angeblichen Fakten hier mit Vorsicht zu genießen. An der Aussage des Films ändert diese Tatsache allerdings nichts. Denn im Kern erzählt der Film vom Leben im Südafrika der Apartheid und welche Spuren es bei allen Bewohnern hinterlässt, seien sie nun schwarz oder weiß. Erfreulicherweise haben Dube und Drehbuch-Debütant Sabelo Mgidi ihre Geschichte nicht in diesen Farben gezeichnet, sondern buntere Figuren für ihre Story entwickelt.

Da ist das Trio der Widerstandskämpfer. Calvin (Thabo Rametsi), der Anführer, der Gewalt gegen Dinge für vertretbar hält, aber Gewalt gegen Menschen zutiefst ablehnt und deshalb mit der Geiselnahme an seine Grenzen stößt. Da ist Aldo (Stefan Erasmus), der Angst um seine Frau und sein ungeborenes Baby hat. Und Terry (Noxolo Dlamini), die sich der Sache der Widerstandsbewegung mit Haut und Haaren verschrieben hat. Ihre Gruppendynamik ist besonders spannend geraten, weil sich bald herausstellt, dass es innerhalb der Gruppe einen Verräter geben muss – und die Chance, dass es der Kamerad war, der im Fluchtwagen sein Leben ließ, stehen nur 1:4. Aus diesem Umstand zieht Dube gleich zweimal Spannung: Erst kann der Zuschauer miträtseln, um wen es sich wohl handelt. Und ist das nach halber Strecke aufgedeckt, bleibt die Frage, ob der Spitzel seine beiden Mitstreiter ans Messer liefert oder nicht.

Und auch auf der anderen Seite tummeln sich Figuren unterschiedlicher Couleur. So hält Captain Johan Langerman, mit Südafrikas wohl bekanntesten Schauspieler Arnold Vosloo (Die Mumie) besetzt, Calvin nicht für einen blutrünstigen Terroristen und versucht alles, um die Geiseln und wenn möglich auch die Geiselnehmer lebend aus der Bank zu holen. Sein Vorgesetzter Hans (Justin Stryman) hingegen lässt keinen Zweifel daran, dass er die Bank am liebsten sofort stürmen würde, um alle Schwarzen darin umzubringen, damit er sicher auch die Terroristen erwischt.

Im Inneren der Bank treffen mit einem offen rassistischen Angestellten (Jacques Gombault) und der liberalen Filialleiterin Christine (Elani Dekker) ebenfalls gegensätzliche Charaktere aufeinander. Dass Dube nicht alle Weißen böse und alle Schwarzen heldenhaft darstellt, sondern auf beiden Seiten Raum für Nuancen findet, gehört zu den stärksten Aspekten des Films. Spannend ist auch der schwarze US-Box-Promoter (Shane Wellington), der sich durch Zufall gerade in der Bank aufhält, als Calvin und seine Kameraden dort ankommen. Und der sich lange nicht entscheiden kann, ob er als schwarzer Bruder oder doch als schützenswerter US-Bürger wahrgenommen werden möchte.

Emotional ansprechend ist Silverton Siege aber vor allem durch seine Konsequenz. Denn zuerst will das Trio lediglich fliehen und handelt mit Langerman eine Möglichkeit dafür aus. Als das misslingt, ist sich Calvin sicher, dass er die Bank nicht lebend verlassen wird und denkt darüber nach, auf welche Art und Weise sein Tod und der seiner Mitstreiter eine Bedeutung erlangen können. Ob das wirklich die Geburtsstunde der „Free Nelson Mandela“-Bewegung war, wie es der Film suggeriert, spielt für die Dramatik des Stoffes keine große Rolle. Der Opfergang der Widerstandskämpfer sorgt durch das spannende Spiel von Thabo Rametsi, der die Zerrissenheit seines Charakters zwischen Kampfeswillen für die gute Sache und der Abscheu vor Gewalt gegen Unschuldige unmittelbar an den Zuschauer weitergibt, für denkwürdige Szenen. Vor allem seine Duelle mit Vosloo, der seinen berufsbedingten, aber nicht unbedingt überzeugten Rassisten ebenfalls ohne Klischees vor die Kamera bringt, sind von einer unerwarteten Melancholie durchzogen, da beide zu wissen glauben, wie die Sache enden wird.

Geradezu beklemmend wird Silverton Siege dann, wenn Dube das weiße Regime ganz ohne Maske zeigt und in der wohl dunkelsten Szene des Films klarmacht, dass weder die Zahl noch die Hautfarbe der Opfer eine Rolle spielen, solange die Aktion den Status Quo erhält. Dennoch inszeniert Mandla Dube hier kein bleichschweres Rassismus-Drama, auch wenn das Thema allgegenwärtig ist. Ganz ohne Klischees kommt die Story zwar nicht aus, dafür dürfte der Film aber kaum jemanden kalt lassen. Lediglich die Tatsache, dass hier Fakten und Fiktion vermischt werden, wirft einen leichten Schatten. Hier wäre zumindest im Abspann ein wenig erhellende Information schön gewesen.

Den Anspruch, eine spannende Story erzählen zu wollen, merkt man Silverton Siege jederzeit an. Seinem Thema der Apartheid nähert sich der Film als leicht konsumierbarer Thriller an, der eher Momentaufnahme als politische Abrechnung ist. Diese besitzt aber genug Aussagekraft, um die Geschichte zu tragen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/silverton-siege-2022