Freibad (2022)

Demokratie und Frauenbad

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Egal ob alt, dick oder verschleiert – im einzigen Frauenfreibad in Deutschland tummeln sich die verschiedensten weiblichen Körper. Und sie dürfen sich ohne Scham, ohne Vorbehalte oder bewertende Blicke auf der Liegewiese zeigen. So denkt man, und so ist das angedacht im Frauenfreibad, das ein ganz freies Bad sein will. Und doch wird schnell klar: Die größten Feinde dieses Raums sind sich die Frauen selbst.

Seit jeher treffen sich zwei Freundinnen im Frauenfreibad. Gabi (Maria Happel), Ehefrau eines gut verdienenden Udos und Lehrerin kurz vor der Rente, und Eva (Andrea Sawatzki), ehemalige Schlagersängerin mit Erfolg, verbringen dort gemeinsam den Tag, unterhalten sich, brutzeln in der Sonne, gehen ins Wasser, schauen den anderen zu – und tauschen sich natürlich auch darüber aus.

Ihren Augen bleibt nichts verborgen: nicht die grillende Familie in Alltagskleidung mit Kopftuch, nicht die Studentin im Burkini (Nilam Farooq), nicht die junge Dicke (Julia Jendroßek), die Gabi einen „Wackelpudding“ nennt. Zu allen und allem haben die beiden Endfünfzigerinnen eine Meinung, die sie diskutieren, und die Diskussion wird schnell zum Schlagabtausch: Mal zeigt die eine, mal die andere eine tolerante Seite; was für die eine Lästern ist, ist für die andere ihre freie Meinungsäußerung und umgekehrt. Es geht also auch um das Demokratieverhalten im Freibad – ein gut gewählter Mikrokosmos für eine spannende Versuchsanordnung.

Doch leider ist der Rahmen zu groß anlegt, und das ist das Problem des Films: Er will zu viel – von seinen Figuren, aber auch in Bezug auf seine Themen: Der Film über-spannt sein Experiment. Denn es bleibt eben nicht nur bei der Diskussion von Bodyshaming und der Frage nach der Freiheit des weiblichen Körpers. Plötzlich geht es vom Kopftuch aus auch um Kultur und ein interkulturelles Verstehen, um Toleranz und die ganze große Demokratie. Wann und wo hören meine Kultur und mein Integrationswille auf, wenn andere Kulturen ihre Badetücher ausbreiten?

Eine Gruppe von Musliminnen aus der Schweiz hat nämlich auch Wind gekriegt vom Frauenfreibad – ideal für ihren Ausflug in teuren Autos, die Designerhandtaschen im Schlepptau. Die mit schwarzen Burkas bekleideten Frauen sorgen schnell für Aufmerksamkeit unter den anderen Badegästen, schnell beschwert sich die eine über die andere Gruppe und umgekehrt. Jede fühlt sich in ihrer Freiheit beschränkt. Das wird nicht nur Bademeisterin Steffi (Melodie Wakivuamina) zu viel. Sie kündigt und verschwindet, und aus Mangel an Bewerberinnen wird kurzerhand ein männlicher Bademeister (Samuel Schneider) engagiert. Und plötzlich ist das so eine ganz andere Sache mit der vermeintlichen Freiheit des weiblichen Körpers auf der Liegewiese.

Das Ensemble, das Doris Dörrie für Freibad gewinnen konnte, macht seine Arbeit durchweg gut. Gerade die Darsteller:innen der kleineren Rollen verleihen ihren Figuren im Laufe der Handlung die Tiefe, die im jeweiligen Charakter angelegt ist – durch feine Nuancen im Spiel, durch kurze Blicke, manchmal auch durch große Gesten. Und das funktioniert.

Was auch funktioniert, sind einige kleine Dialogwitze. Viele der Gags aber tun das nicht – und darunter leidet auch die Zeichnung der Figuren. Freibad setzt leider auf allzu viel Klischee in den unterschiedlichen Bereichen und bisweilen auf einen Stammtischhumor, der für einen Film mit gesellschaftlich so wichtigen Themen enttäuscht und auch nicht passt. Das ist schade: Wie schon bei der Themensetzung des Films wäre auch beim Humor weniger einfach mehr gewesen. Das gilt auch für das Ende des Films, das allerdings dann doch auch etwas versöhnlich stimmt.

Großartig ist der Retro-Look von Freibad, der sich konsequent und stimmig durch den Film zieht und auch gekonnt einen Kontrapunkt setzt: Egal ob beim Vorspann oder beim Blick auf das leere Freibad in der Nacht mit der musikalischen Untermalung durch unterschiedliche Sequenzen aus „Dream a little dream of me“ von The Mamas and the Papas. Das sind knallige Farben, ein sommerliches Ambiente und tropische Motive, gepaart mit einer Freibadansicht von anno dazumal, die dann auch (und gerade dann, wenn man auf dem Filmfestival schwitzt) Lust auf Sommer und aufs kühle Nass machen – ab ins nächste Freibad!

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/freibad-2022