Swiss Army Man (2016)

Derbe Philosophie

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Das Langfilmdebüt des Drehbuch- und Regie-Duos Daniels (alias Daniel Scheinert und Dan Kwan) beginnt mit einem Suizidversuch: Hank (Paul Dano) ist unter zunächst nicht näher beleuchteten Umständen auf einer winzigen Insel gestrandet und kann die Einsamkeit nicht länger ertragen. Als er seinem Dasein gerade mit einem Strick ein Ende bereiten will, sieht er, wie ein junger Mann (Daniel Radcliffe) angespült wird. Doch die Hoffnung, endlich einen Schicksalsgefährten gefunden zu haben, erstirbt rasch: der Mann ist bereits tot.

Nach den ersten Filmminuten könnte man mutmaßen, dass es sich bei Swiss Army Man um eine morbid-schwarzhumorige Variante von Robinson Crusoe handelt. Wieso auch nicht? Wenn Tom Hanks im Survival-Drama Cast Away mit einem Volleyball reden darf, kann Paul Dano ja wohl auch mit dem toten Ex-Harry Potter Freundschaft schließen! Es wird allerdings schnell noch sehr viel ungewöhnlicher. Denn kurze Zeit später nutzt Hank die Flatulenz des Toten und funktioniert dessen Körper kurzerhand in einen Jetski um (!). Auf diesem Wege entkommt Hank seinem Inselgefängnis und landet in der Wildnis, die nicht weit von seinem einstigen Zuhause entfernt zu sein scheint. Aus Dankbarkeit schleppt er die Leiche weiterhin mit sich durch den Wald – bis der tote Mann sich auch in zahlreichen anderen Situationen als großes Wunder erweist.

Viel mehr von der Handlung preiszugeben, wäre unfair, da Swiss Army Man die rare Chance bietet, sich als Zuschauer_in rund 90 Minuten lang überraschen zu lassen. Wie es mit Überraschungen so ist, ist nicht immer alles hoch erfreulich. Es gibt Szenen in diesem Film, bei denen man nicht weiß, ob man sie nun schrecklich witzig oder einfach nur schrecklich finden soll (Ein Zitat als Kostprobe: "I think your penis is guiding us home!“). Es sei jedoch versichert: Die Bilder und Töne (oh ja, die Töne…) sind einfallsreich, mutig sowie völlig irre; und genau diese Eigenschaften sollten den Indie-Sektor schließlich ausmachen. Neben der überbordenden Ästhetik, in der sich die Vergangenheit der Daniels als Werbe- und Musikvideofilmer zeigt, ist das Werk auch inhaltlich äußerst bemerkenswert: Das kreative Duo verbindet fart jokes und Konversationen über Masturbation mit existenzialistischen Fragen – und zwar nicht, wie etwa Judd Apatow in etlichen seiner Dramödien, auf einer oberflächlichen Ebene, bei der die Bedeutung des Gesagten meist eher eine Behauptung bleibt, sondern derart zwingend ineinandergefügt, als sei das Philosophische ohne das Derbe gar nicht denkbar (et vice versa).

Als Protagonist liefert Paul Dano eine Performance, die wirklich zu Herzen geht – insbesondere wenn sich die Backstory seiner Figur allmählich entbirgt. Mit Daniel Radcliffe harmoniert er ganz ausgezeichnet. Radcliffes Furchtlosigkeit bei der Wahl seiner Rollen verdient indes – nicht erst seit diesem Auftritt – einigen Respekt. Wer Lust auf einen durchgeknallten Kinotrip hat, sollte sich auf Swiss Army Man einlassen: So kurios und crazy, albern und zugleich tiefsinnig kam schon lange kein Film mehr daher.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/swiss-army-man