Bibi & Tina - Einfach anders (2022)

UFO-Alarm am Martinshof

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Bibi, Tina, Amadeus, Sabrina: Vier Wörter, zehn Silben, das reicht aus, um bei Eltern und Nachwuchs einen sofortigen Ohrwurm auszulösen. Der klebt sowieso schon im Gehirn der Menschen fest, das ist eine gute Basis, um auch noch einen fünften „Bibi & Tina“-Realfilm zu vermarkten. Das Rezept ist eigentlich einfach: Man lässt Detlev Buck den Farbregler beliebig hochdrehen und schickt zwei junge Darstellerinnen als Titelfiguren auf den Reiterhof, für belanglose Abenteuer in der norddeutschen Landwirtschaftslandschaft. So weit, so gut hat das bisher funktioniert.

Um jedoch den völlig exaltierten, entschlossenen Aberwitz von Bibi & Tina – Einfach anders irgendwie fassen zu können, hilft es vielleicht zu wissen, dass irgendwann in der Mitte der Kartoffel ein fröhliches Loblied gesungen wird, während in den ersten Sekunden des Films ein außerirdisches Wesen eine Bruchlandung auf der Erde hinlegt.

All das geschieht auf den Feldern und in den Wäldern rund um den Martinshof, wo die junge Hexe Bibi Blocksberg (Katharina Hirschberg) und ihre beste Freundin Tina Martin (Harriet Herbig-Matten) wie stets Sommerurlaub machen. Gelegentlich wird reimend gehex-hext, es wird auch geritten, gekuschelt und geknutscht, aber all das geht unter ihm erzählerischen Strohgewitter, das so arg knirscht, man kann es gar nicht so recht fassen.

An irgendeiner Stelle glaubt Graf Falko von Falkenstein (Holger Stockhaus) tatsächlich, ein Vampir zu sein, und wird von seinem Irrglauben erst geheilt, als er seiner Reflexion in einer Fensterscheibe gewahr wird; vorher hat er aber genug Zeit, um in Erinnerung an Francis Ford Coppolas Dracula eine Gary-Oldman-Gedächtnissonnenbrille anzulegen.

Außerdem treten drei als etwas „schwierig“ angekündigte Jugendliche auf (deren Spitznamen, man glaubt es kaum: „Disturber“, „Silence“ und „Spooky“), die auf dem Martinshof zu sich finden sollen, eine großkotzige Mutter und eine sehr wenig journalistisch dahinraunende Radiojournalistin namens Funky Frölich (Judith Richter). Der Außerirdische tappst durch die Gegend, eine obskure Sicherheitsbehörde, die mehr wie eine Reinigungsfirma aussieht, sperrt wahllos Gebiete ab, und ein Betrüger (Kurt Krömer, in verschiedenen Verkleidungen) reißt sich Falkos Grafentitel nebst Schloss unter den Nagel.

Krömers Gesangseinlage „V. Arscher“ ist der anarchistisch-musikalische Höhepunkt des Films, eine bilderstürzende Krieg-den-Palästen-Show, deren politisches Potenzial allerdings völlig von seiner letzten Endes banalen Hintergrundgeschichte zerbröselt wird. Genauso bekommt die rebellisch-rotzige „Disturber“ (Emilia Nöth) natürlich eine lieblose Mutter zur Motivation und Befriedung in die Handlung gewoben. Genauso verliert sich der eigentlich interessante Subplot über Alienaufregung, Aluhutträger (wirklich!) und Hamsterkäufe von Klopapier im politisch Ungefähren. Ist das alles Quatsch? Eine künstlich durch Medien erzeugte Panikmache (kein Internet in diesem Film übrigens, nirgends)? Und was hat es dann zu bedeuten, dass tatsächlich ein Alien durch die Gegend läuft?

Buck und das Team von Autor_innen um Bettina Börgerding werfen hier Handlungsstrang um Handlungsstrang durcheinander, bis ein recht wirres Gewebe entsteht, das weder stabil noch irgendwie sinnvoll wirkt und darüber hinaus die Titelheldinnen zu Nebenfiguren degradiert. Dazu passt der stellenweise sehr überstürzt wirkende Schnitt voller Logiksprünge und Anschlussfehler – zusammen mit den stellenweise schmerzhaft schmalzigen Songs (Peter Plate, Ulf Sommer und ihr Team haben sich wieder ausgetobt) ist das fast schon episches Kino im Brecht’schen Sinne: Das Publikum wird stets aus der Handlung geworfen. Dahinter ist dann allerdings auch nur ein Vakuum, in dem Bibi und Tina plötzlich bauchfrei auf einem Planetoiden irgendwo im All tanzen.     

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/bibi-tina-einfach-anders-2022