Die Mucklas ... und wie sie zu Pettersson und Findus kamen (2022)

Knallen, Schreien, Singen

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Wer Kinder hat oder Kindern vorliest, kennt wahrscheinlich auch die Mucklas. In den zurecht irrsinnig beliebten und erfolgreichen Büchern von Sven Nordqvist über den alten Pettersson und seinen sprechenden Kater Findus spielen sie stets eine große, kleine Rolle.Sie sind immerzu im Hintergrund zu sehen, wohnen unter den Dielen des wunderbar chaotischen Hauses, lassen Kleinigkeiten verschwinden und sacken Essbares ein – ein bisschen wie die Borger, die man aus „Ein Fall für die Borger“ oder „Arrietty – Die wundersame Welt der Borger“ kennt, nur eben für Menschen unsichtbare Tierchen, die braun oder blau oder gestreift sein können, mit langen Ohren, niedlichen Schnauzen oder bunten Mützen.

Vielgestaltig, niedlich, etwas tolpatschig: Nach insgesamt vier erfolgreichen Pettersson und Findus-Filmen, die letzten drei davon Realfilme mit gekonnt animiertem Findus, muss das wie ein perfektes Rezept erschienen sein, um mit einem Spin-Off noch mehr Material aus Nordqvists Vorlagen saugen zu können.

Nur mussten dazu die stillen Figuren vom Rand der Zeichnungen, aus den Zwischenräumen ins Zentrum gerückt werden, mit Handlung, Zielen, Charakter und Sprechrollen versehen. Und das sieht dann so aus: Die Mucklas lieben und brauchen das Durcheinander; unaufgeräumte Räumlichkeiten liebevoller Menschen, das ist ihr Paradies. So eins haben sie, als die Geschichte beginnt, im Kramladen des alten Hansson gefunden.

Nur kommt der leider durch einen von den Mucklas verursachten Unfall ums Leben – der Laden wird nun von Karl dem Kammerjäger (Uwe Ochsenknecht, mit absurder Frisur) übernommen, der erst einmal durchfegt und natürlich auf Ungeziefer schlecht zu sprechen ist. Als er feststellt, dass wohl unsichtbare Wesen im Ladengeschäft hausen und er diese anhand ihres Geruchs (genauer: anhand einer Flatulenz) als eigentlich ausgestorbene Mucklas identifiziert, schreitet er sogleich zur Arbeit: „Jetzt werdet ihr wirklich aussterben!“

Den Mucklas bleibt also keine Wahl: Sie müssen umziehen. Drei junge Mucklas, Svunja, Tjorben und der fröhlich Unsinn daherplappernde Smartö (gesprochen von Roxana Samadi, Marcel Mann und Co-Regisseur Ali Samadi Ahadi), werden vorausgeschickt, um ein neues Zuhause zu finden. In Smartös Worten müssen sie ein Nowalanda finden. Dafür geht es durch die Kanalisation, in unterirdische Höhlen und schließlich mit einem selbstgebauten Ballon aus der Stadt heraus. Der Filmtitel verrät, wo die Reise schließlich (natürlich gut) enden wird. Bis dorthin braucht es jedoch viele Verfolgungsjagden, Streit zwischen den drei Mini-Mucklas und viel Durcheinander, auch mal explosionsinduziert.

Eigentlich also ein klassischer Fall von Road Movie, der Weg ist das Ziel und so; aber das Drehbuch von Thomas Springer hängt in dieses filmische Gerüst nur völlig arbiträr Sequenzen aneinander, immer ein wenig Diskussion und Streit bis zur nächsten Actionsequenz: Hier eine Flucht durch einen engen Gang, dort eine Wassersturzfahrt durch die Kanalisation.

Wie völlig beliebig das alles ist, wird spätestens dann offensichtlich, als die drei Mucklas auf der Flucht vor einer Ratte durch ein Loch stürzen und in eine Lore fallen, die – das wird dann noch schnell im Dialog erzählt, weil die ganze Sequenz sonst keine Existenzberechtigung hätte – da irgendwer vor tausend Jahren hinterlassen hat, um Kristalle abzubauen. Ich weiß es ja auch nicht, aber jedenfalls geht es dann rauf und runter, bis die Gleise plötzlich kaputt sind, Indiana Jones lässt natürlich freundlich grüßen.

Es gibt haufenweise solcher Momente, die die Handlung ohne irgendeine zwingende Logik weitertreiben: Deux-Ex-Machina-Situationen, ein glücklicher Blitzschlag. Zwischendrin verlieben sich Ochsenknechts Karl und die begeisterte Köchin Molli (Christine Urspruch) ineinander, man weiß aber nicht, warum und was das in diesem Film zu suchen hat. Urspruch packt ihren größtmöglichen Charme aus. Aber wie verzweifelt müsste ihre Figur eigentlich sein, um das exaltierte Overacting von Ochsenknecht sympathisch zu finden?

Unmotiviert hintereinander montierte Actionsequenzen und Verfolgungsjagden, das findet sich im Kinderfilm leider allzu häufig, vor allem reine Animationsfilme lieben diese Form, die nicht Struktur ist, sondern einzig Publikumsbedröhnung. Gerade im Kinderfilm eine eigentlich eher herablassende Form der Unterhaltung: Man muss nur mit genug bunten Bildern und lautem Geschrei um sich werfen, das wird die Kleinen schon beschäftigen. Man findet das in Überflieger – Kleine Vögel, großes Geklapper ebenso wie in Samadis furchtbarem Peterchens Mondfahrt, und stets bleibt kaum etwas von diesen Filmen im Gedächtnis haften.

Das ist alles umso bedauernswerter, weil sowohl Samadi (man sieht es an seinen drei anderen Pettersson und Findus-Filmen) als auch sein Mit-Regisseur Markus Dietrich (Sputnik und Invisible Sue – Plötzlich unsichtbar) das eigentlich besser können.

Hier aber sind sie sich nicht einmal sicher, für wen der Film gemacht sein soll. Denn in all dem Gekreisch und Getröte (das so überhaupt nicht zu Pettersson und Findus passt) werden zwischendurch Mucklas mit einer Kreissäge gejagt, stirbt in den ersten Minuten ein Mensch auf der Leinwand an einer verschluckten Praline. Das ist alles ein wenig auf witzig und überdreht inszeniert (wie alles in diesem Getöse von einem Film), aber doch für das sehr junge Zielpublikum von Muckla-Fans (Kindergarten bis Grundschule) womöglich recht bedrohlich.

Die Szene, an die man sich von Die Mucklas ... und wie sie zu Pettersson und Findus kamen womöglich erinnern wird? Irgendwann zwischendrin, es hat wirklich keinen Bezug zu irgendetwas anderem, das in diesem Film passiert, sitzen sich zwei weiße Ratten gegenüber und spielen Schach. Für einen Moment kehrt Ruhe ein und absurder Witz. Von beidem hätte dieser Film deutlich mehr vertragen können.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/die-mucklas-und-wie-sie-zu-pettersson-und-findus-kamen-2022