Ein endloooser Kreislauf (2022)

Hindernislauf auf Hindi

Eine Filmkritik von Falk Straub

Tom Tykwers "Lola rennt" (1998) hat sich in die Popkultur eingebrannt. Nicht nur hierzulande, sondern weltweit. Das vergisst man gern. Doch der atemlose Film, in dem Franka Potente als Titelfigur die Zeit zurückdreht und dreimal nacheinander losrennt, um zu einem anderen Ausgang der Ereignisse zu gelangen, wurde in unzähligen Medien zitiert – von den Simpsons über Buffy – Im Bann der Dämonen bis hin zu SMILF, von Musikvideos von Bon Jovi und den Manic Street Preachers bis hin zu Videospielen. Angesichts dessen ist es erstaunlich, dass es davon noch keine Neuauflage aus Hollywood gibt. Stattdessen kommt nun eine aus Bollywood.

Das Grundgerüst der Handlung ist gleich geblieben. Weil ihr Freund Satya (Tahir Raj Bhasin) eine Tasche voller Geld im Bus hat liegen lassen, rennt Savi (Taapsee Pannu) los. Erst zu ihrem Vater Atul Borkar (K.C. Shankar), der in diesem auf Hindi gedrehten Remake keine Bank, sondern einen Box-Club betreibt. Derweil scharrt Satya mit den Hufen und überfällt schließlich einen Juwelier. Nach einem tödlichen Schuss beginnt die Handlung von vorn.

Auf den ersten Blick überwiegen die Gemeinsamkeiten. Tykwers Film wurde aufgrund seines hohen Tempos und seiner Ästhetik oft mit Musikvideos verglichen. Als "Event für die MTV-Generation" beschrieb ihn etwa die Filmkritikerin Joanna Berry, und in Nordamerika wurde er als "Viagra for the eye-balls", also als "Viagra für die Augäpfel" beworben. Auch die indische Neuauflage sieht mit all den Splitscreens, den einfallsreichen Kameratricks und ausgefallenen Kamerabewegungen, den schnellen Schnitten, pausenlosen Vor- und Rückblenden und einer poppig-bunten Farbgebung, die man am ehesten als "Neon-Pastell" bezeichnen könnte, wie ein Musikvideo aus. Was nicht verwundert, da ihr Regisseur Aakash Bhatia vom Musikvideo kommt und mit diesem Remake sein Langfilmdebüt gibt.

Doch bereits auf den zweiten Blick offenbaren sich gravierende Unterschiede. Hatte Franka Potentes Lola nur 20 Minuten Zeit, um ihren von Moritz Bleibtreu gespielten Manni zu retten, stehen Savi 80 Minuten zur Verfügung. So lange dauerte Tom Tykwers Film insgesamt. Aakash Bhatias Version läuft satte 131 Minuten, was für einen Bollywood-Film freilich noch als kurz durchgeht, sich im Vergleich zum Original aber furchtbar lang ausnimmt.

Um auf eine Laufzeit von mehr als zwei Stunden zu kommen, haben die Drehbuchautoren (zu denen neben Bhatia vier weitere zählen) jede Menge Nebenstränge ans Handlungsgerüst gehängt. Was in Tykwers Original lediglich in fotografischen Schnappschüssen aufblitze, erzählt Bhatia in aller Breite, dabei aber stets unterhaltsam aus. Langeweile kann man seinem Debüt zumindest keine vorwerfen. Und so ist dieses Remake gleich mehrere Filme in einem. 

Neben Savis und Satyas Beziehung geht es um die unerfüllte Liebe des Taxifahrers Jacob (Sameer Kevin Roy), der seine Angebetete Julia (Shreya Dhanwanthary) vom Traualtar entführt, um das angespannte Verhältnis von Savi zu ihrem Vater und das bedenkliche Verhältnis des Juweliers Shri Mamlesh Charan Chaddha (Rajendra Chawla) zu seinen zwei vertrottelten Söhnen Gappu (Raghav Raj Kakker) und Appu (Manik Papneja). Last but not least erfährt das Publikum auch noch etwas über Satyas Boss Victor (Dibyendu Bhattacharya), der ihn überhaupt erst in die Bredouille brachte. Und wie schon beim Original verändert jeder Durchlauf den Fortgang der Dinge. Der Schmetterlingseffekt lässt grüßen.

Letzten Endes ist Ein endloooser Kreislauf ein Familiendrama in einer Familienkomödie in einer Liebeskomödie in einem Beziehungsdrama in einem Thriller. Und obwohl das lange nicht so atemlos wie bei Tom Tykwer inszeniert ist, funktioniert es. Zwar nimmt man der Hauptdarstellerin Taapsee Pannu keine Sekunde lang ab, dass ihre Figur einmal eine professionelle Leichtathletin gewesen sein soll, noch dazu eine Hürdenläuferin, aber man sieht ihr und ihrem Filmpartner Tahir Raj Bhasin gern zu. Wie man auch die übrigen Geschichten, die am Ende alle irgendwie miteinander verwoben sind, amüsiert verfolgt. Nach Durchgang drei sind alle Hindernisse aus dem Weg geräumt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/ein-endloooser-kreislauf-2022