Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht (TV-Serie, 2022)

Tolkienjünger im Wutmodus: Der teuerste Shitstorm der Welt?

Eine Filmkritik von Markus Fiedler

Als Ende 2017 die Meldung erschien, Amazon habe für etwa 250 Millionen Dollar die Rechte an Teilen des Herr der Ringe-Romans erstanden, schossen sofort die Spekulationen ins Kraut. Als der Konzern dann verriet, was genau die Fans des britischen Autors zu erwarten hatten, begann ein gigantischer Medienrummel, der bis zu den ersten Bildern im vergangenen Jahr nie ganz verstummte – und danach erst richtig durchstartete. Weil aber die Showrunner Patrick McKay und JD Payne die Produktion wie ein Hochsicherheitsgefängnis führten, gelangte nur wenig nach außen – und selbst dieses wenige kostete so manchem Mitarbeiter den Job. Wie beispielsweise dem renommierten Tolkien-Experten Tom Shippey, dem ein Interview zum Verhängnis wurde und der seitdem von aufgebrachten Fans als eine Art Gralshüter des Tolkien-Werkes verehrt wird.

Streng genommen war die Serie allerdings von Anfang an eine Art Mission Impossible. Zum einen besaß Amazon nicht die Rechte an den beiden einzigen Werken Tolkiens, die zumindest ein wenig Licht auf das Zweite Zeitalter werfen, zu dem der Autor ohnehin nicht sehr viel geschrieben hatte. Diese Geschichten stehen zum großen Teil im Silmarillion und den Nachrichten aus Mittelerde – deren Filmrechte nach wie vor unter Verschluss gehalten werden. Und so war schnell klar, dass der ganze mythologische Unterbau, der zur Anfangssituation des Zweiten Zeitalters führt, in der Serie gar nicht vorkommen darf. Zum anderen hatten die beiden Showrunner bald entschieden, die mehr als 3000 Jahre, auf die sich die großen Ereignisse des Zweiten Zeitalters verteilen, zu wenigen Jahren zusammenzustreichen, um nicht nach jeder Staffel den halben Cast auswechseln zu müssen.

So entsteht beispielsweise die Situation, dass das Elbenreich von Eregion zeitgleich mit den Charakteren Isildur und Elendil existiert, obwohl zwischen ihnen laut Tolkiens Geschichten rund 1300 Jahre liegen. Somit war klar, dass Die Ringe der Macht die beinharten Fans des Autors, die meist keinerlei Änderung tolerieren, schon im Vorfeld auf die Barrikaden treiben würde – was auch passierte. Dass sich da gleich noch eine ordentliche Menge selbsternannter Wokeness-Kritiker*Innen anschließen würde, weil es in der Serie auch noch schwarze Elben und Zwergenfrauen ohne Bart gibt, ist da lediglich noch eine Randnotiz. Das führte sogar so weit, dass Amazon Bewertungen der Serie auf dem eigenen Portal aussetzte, weil aufgebrachte Tolkien-Fans im gesamten Internet die Serie so schlecht bewerten wie nur möglich. Eigentlich hatten JD Payne und Patrick McKay also von Anfang an keine Chance, das von Jeff Bezos ausgegebene Ziel, einen positiven Medienhype wie bei Game of Thrones zu erschaffen, wirklich zu erreichen. Und dennoch machten sich die beiden ans Werk und präsentierten jetzt die beiden ersten, von Regisseur Juan Antonio Bayona (Das Waisenhaus) inszenierten, Folgen bei Amazon Prime Video.

Im Vorfeld hatte Amazon bereits kolportiert, dass für jede Staffel etwa 150 Millionen Dollar Produktionskosten veranschlagt wurden, die Serie mit ihren fünf geplanten Staffeln also mehr als eine Milliarde Dollar verschlingen würde. Die meisten Zuschauer dürften beim Anblick der beiden ersten Episoden geneigt sein, diese Zahlen zu glauben. Denn was Bayona hier optisch zu bieten hat, gehört sicher zu den spektakulärsten Fantasy-Inhalten, die bislang in Film oder TV zu sehen waren und können sich problemlos mit Peter Jacksons Trilogie messen. Wenig computergenerierte Effekte und viel handgemachte Sets sorgen für eine hohe Authentizität, Kostüme, Design und der Detailreichtum bringen Mittelerde in hoher Qualität zurück. Ob die Zwergenminen von Moria oder die Wälder des Elbenreiches Lindon – die Serie zeigt Orte, die Tolkienfans in dieser Pracht vorher nie zu sehen bekommen haben.

Inhaltlich können die beiden ersten Folgen hingegen weniger glänzen, denn der Start von Die Ringe der Macht leidet unter seinem immens großen Personal, das Schachfiguren gleich erst einmal auf das Spielbrett platziert werden muss. Zwar haben die Autoren versucht, zeitgleich mit dem Worldbuilding der Serie auch möglichst spannende Handlung zu erzählen, aber viel passiert in den Episoden dennoch nicht. Das ist allerdings bei einer auf fünf Staffeln ausgelegten Serie mit etwa 25 Hauptfiguren auch nicht weiter erstaunlich. Wichtig für unvoreingenommen Tolkienfans ist, dass Payne und McKay Respekt vor den Vorlagen zeigen und versuchen, die verschiedenen Völker Mittelerdes zumindest in ihrer Wesensart so treffend wie möglich zu zeigen: die nur scheinbar stoischen Elben, die rumpeligen Zwerge, die lebensfrohen Haarfüße und die misstrauischen Menschen, die noch Jahrtausende von den späteren großen Reichen entfernt sind.

Dabei treffen die Autoren auch meist einen guten Ton und führen die Zuschauer auch sprachlich in Tolkiens Welt, selbst wenn sich über die literarische Qualität von Zeilen wie „Du hast nicht gesehen, was ich gesehen habe“ durchaus streiten lässt. Die Showrunner haben versucht, mit einem extrem hohen Budget, weitgehend unbekannten, aber guten Schauspielern und dem Mut zu einer eigenen Version von Tolkiens Fragmenten zum Zweiten Zweitalter eine High Fantasy-Serie zu machen, in deren Verlauf die Zuschauer erleben werden, wie die Ringe der Macht entstehen und wie Sauron in der Schlacht am Schicksalsberg seine Macht einbüßt. Nach den beiden ersten Episoden zu urteilen, ist die Serie auf einem guten Weg dahin – noch nicht mehr, aber auch nicht weniger.

 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/der-herr-der-ringe-die-ringe-der-macht-tv-serie-2022