Geschichten vom Franz (2022)

Vom Franzsein

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Wie soll ein Kinderfilm heute aussehen? So wie Geschichten vom Franz. Drehbuchautorin Sarah Wassermair und Filmemacher Johannes Schmid gelingt, was die wenigsten Kinderbuchverfilmungen hinkriegen: Einen Stoff aus den 1980er Jahren ins Hier und Heute zu transportieren, der den Charme der Buchvorlage behält, ohne altmodisch, langweilig oder überdreht zu sein. "Geschichten vom Franz" basiert auf der Buchreihe von Christine Nöstlinger, ist aber ein eigenständiger und zwar ein großartiger Kinder- und Familienfilm!

„Und das ist der Franz“, sagt die Erzählerin aus dem Off. Aber wo isser denn? Erzählerin und Kamera machen sich auf die Suche – die Erzählerin über die gesprochenen Worte, die Kamera auf ihre Weise: Sie zeigt einen leeren Spiegel, zoomt heran, dann taucht ein Wuschelkopf auf, der hin und hergeht, die Kamera fokussiert und dann sehen wir ihn im Spiegel – da isser ja, der Franz. Beim Zähneputzen und etwas in Eile, gleich muss er los in die Schule.

Schon der Filmanfang von Geschichten vom Franz ist großartig! In nur einer Sequenz gelingt es dem Film, nicht nur den Anfang der gleichnamigen Buchvorlage von Christine Nöstlinger filmisch umzusetzen, sondern auch den Tonus der Bücher zu vermitteln – was nicht nur an der Erzählerinnenstimme liegt, die wie eine Hommage an die von Nöstlinger gelesene Hörbuchfassung wirkt. Und gleichzeitig zeigt der Film dem kleinen wie großen Publikum, wie Film funktioniert. 

Auf originelle Weise hat Drehbuchautorin Sarah Wassermair die Geschichten vom Franz in eine Spielfilmhandlung übertragen: Sie hat natürlich einige der Episoden aus den Büchern, die zwischen 1984 und 2011 erschienen sind, verwendet, vor allem aber die Figuren und das Setting in eine gegenwärtige Bezugswelt verlegt und eine eigene Geschichte daraus gestrickt. Da ist der Franz (Jossi Jantschitsch), den wir alle aus dem Buch kennen und lieben, ein Bub, der kleiner ist als die meisten Kinder in seiner Klasse und oft für ein Mädchen gehalten wird. Der blonde Ringellocken hat und dessen Stimme piepsig wird, wenn er unter Stress gerät. Der aber auch ein Handy hat und mit der Straßenbahn zur Schule fährt, bei dem der Papa (Simon Schwarz) zu Hause ist und Kuchen backt und die Mama (Ursula Strauss) für das Familieneinkommen sorgt. Eine ganz zeitgenössische Familie also.

Wie im Buch aber leidet auch der Franz im Film darunter, für ein Mädchen gehalten zu werden und sich nicht wehren zu können, wenn ihm die Stimme versagt. Dann wird er schnell ausgelacht und geschimpft und kann sich nicht rechtfertigen. Gut, dass er neben dem Eberhard (Leo Wacha) sitzt, der ihn immer verteidigt und aus den meisten Situationen herausholt, und gut, dass es die Gabi (Nora Reidinger) aus der Nachbarswohnung gibt, die immer einen Rat weiß und handelt, wenn es notwendig ist. 

Trotzdem will der Franz sich ändern, vom Lehrer Zickzack (Rainer Egger) ernstgenommen und von den Klassenkameraden respektiert werden. Als er seinem großen Bruder Josef (Laurenz Haider) über die Schultern schaut, entdeckt er den Influencer Hank Haberer (Philipp Dornauer) für sich, der Online-Tutorials gibt, wie man ein ‚echter Kerl‘ und „vom Zero zum Hero“ wird. Der Franz ist begeistert, das ist genau das, was er braucht! Zusammen mit Eberhard und Gabi beginnt er das Manns-Training.

Geschichten vom Franz ist aus der Kinderperspektive erzählt, allein das macht den Film zu einem schönen Erlebnis für die kleinen Zuschauerinnen und Zuschauer. Das sind ihre Probleme, ihre Fragen, ihre Sorgen, das ist ihre Sichtweise auf die Welt. Im – natürlich und lebensnah gespielten – Kindertrio findet jede und jeder seine Lieblings- und Identifikationsfigur, fiebert, leidet und freut sich mit. 

Aber auch die Erwachsenen werden sich gerne den Film zusammen mit ihren Kindern ansehen, hält der Film doch so manches Detail bereit, das einen schmunzeln lässt, und auch so manche Überraschung, die auch kinogeschultes Publikum nicht unbedingt vorhersehen kann. Und: Der Film verzichtet auf Übertreibung und Klischees, die viele Kinderfilme heute kennzeichnet. Die Mitschüler in Geschichten vom Franz sind nicht übertrieben fies oder überzogen zickig, die Erwachsenenfiguren sind zurückgenommen, das Milieu ist ein alltägliches und authentisches – auch wenn sich der ein oder die andere hierzulande vielleicht am Wiener Dialekt stören mag, aber auch der gehört halt mit dazu zum Franz.

Es geht um Selbstbewusstsein und Selbstfindung, aber auch um Freundschaft und Zusammenhalt. Das alles ist – wie von Regisseur Johannes Schmid (Wintertochter, Blöde Mütze) nicht anders zu erwarten – solide und angenehm unaufgeregt, witzig und authentisch erzählt. Wenn der Sohn am Vater und dessen Rolle zweifelt oder die Klassenclique Franz zur Mutprobe auffordert, dann ist das ganz einfach und pointiert in Szene gesetzt. Und wenn sich die Gabi und der Franz über das Franzsein, das Franzen und das Gabi-en unterhalten, dann hüpft einem das Kritikerinnenherz vor Entzücken. Das liegt an den großartig gespielten Kinderrollen ebenso wie an der natürlichen Entwicklung der Handlung. Hier wird nichts aufgebauscht oder extra laut gestaltet, die Mutter der Klassenzicke Efli (Arwen Hollweg) hat zwar ein großes Auto, ist gutgekleidet und zurechtgemacht, aber eben im Bereich des Normalen. Sie streicht ihrer Tochter übers Haar mit den Worten „Toll schaust aus!“, und man weiß sofort, aus welcher Art Haus Elfi kommt, ohne dass man die Augen verdrehen muss. Einen solch angenehmen und schönen Kinderfilm gab’s lange nicht. Oder wie der Franz wohl sagen würde: So ‘nen Film im Kino zu sehen, „ist voll das Glück“.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/geschichten-vom-franz-2022