Severance (Miniserie, 2022)

Die berühmte Work-Life-Balance

Eine Filmkritik von Teresa Vena

Eine radikalere und gewissermaßen effektivere Lösung, um das Gleichgewicht zwischen Arbeits- und Privatleben herzustellen, hat noch keiner so erdacht wie nun Dan Erickson mit „Severance“. Noch ist Erickson als Autor ein unbekannter Name, doch flankiert wird er von verschiedenen gestandenen Größen aus dem Filmgeschäft. Zum einen übernimmt Apple die Produktion der Miniserie, zum anderen hat neben der Irin Aiofe McArdle (Kissing Candice) Ben Stiller die Regie geführt. Die ingesamt neun Folgen der ersten Staffel, bei der er es eigentlich bleiben sollte, wenn die Macher am Format der Miniserie festhalten, haben sich McArdle und Stiller folgendermaßen aufgeteilt: Die ersten drei übernimmt Stiller, dann folgen drei von McArdle und schließlich drei weitere von Stiller.

Dieser Aufteilung, glaubt man, ist eine gewisse Kontinuität zum Opfer gefallen. Auf jeden Fall machen sich mehrere Längen in der Erzählung bemerkbar. Man könnte sogar die Behauptung wagen, dass hier das Spielfilmformat besser für den Stoff geeignet gewesen wäre. Das Serielle walzt ihn lediglich aus und nimmt ihm ein wenig von der Faszination, die er ausüben könnte. Mit einer grundsätzlich einfachen Idee lassen sich nämlich zahlreiche arbeitstechnische, politische und soziale Überlegungen anregen; und durch eine Verdichtung hätte zusätzlich auch der gewünschte Spannungsbogen funktioniert.

Der Begriff severance bedeutet Trennung. Wer sich der Severance-Prozedur unterzieht, der lässt sein berufliches Ich von seinem privaten Ich trennen. Entwickelt hat dieses Verfahren Lumen Industries. In der Firma wissen die Arbeitnehmer nichts darüber, wie sie als outies, wie ihre Alter-Egos außerhalb des Unternehmens genannt werden, sind, ob sie vielleicht eine Familie besitzen, welche sexuelle Orientierung, welche Hobbys oder auch nur welche Essgewohnheiten sie haben. Dies hat sehr viele Vorteile. Für das Unternehmen zum einen, dass die Mitarbeiter sich nicht von persönlichen Problemen von ihren Aufgaben ablenken lassen, zum anderen lässt sich somit deren Verschwiegenheit perfekt kontrollieren.

Doch auch für die Mitarbeiter kann die Situation vorteilhaft sein. Sie vergessen sowohl ihre Probleme in der einen als auch in der anderen Sphäre, haben jeweils eine Pause davon. So lässt sich beispielsweise einer fehlenden Motivation zur Arbeit zu gehen entgegenwirken oder auch Beziehungsstress ausblenden. Für die Hauptfigur Mark S. (Adam Scott) war die Möglichkeit ausschlaggebend, für mindestens acht Stunden am Tag vergessen zu können, dass seine Frau gestorben ist. Auf der Arbeit zeigt er ein weitgehend sonniges, fast schlichtes Gemüt, zu Hause verfällt er in eine melancholische, eher zynische Stimmung.

Wie fantastisch das Gedankenexperiment, das der Serie zugrunde liegt, auch ist, so sehr kann man sich mit vielen Aspekten davon identifizieren. Dass man selbst oder Kollegen zwei Gesichter hat, wenn man im beruflichen oder privaten Umfeld agiert, ist sicherlich nicht selten. Wie oft kommt es vor, dass man sich auf der Arbeit mit anderen hervorragend versteht, doch sonst nichts weiter gemeinsam hat und auch nicht außerhalb der Arbeit miteinander verkehrt? Wie viel Frust könnte vermieden werden, wenn man am Ende des Tages von dem einen Kollegen, der ständig dumme Witze reißt, dem anderen, der seine politischen Ansichten breittritt oder wieder einem anderem, der einen einfach so auf den Nerv geht, nichts mehr weiß? Im Umkehrverfahren würde man allerdings auch vergessen, mit wem einen viel mehr als nur die Arbeit verbindet, wen man vielleicht sogar liebt.

Doch wie bei den meisten Dingen gibt es auch beim Severance-Szenario Nachteile. Als Mark S. Abteilungsleiter wird und eine neue Kollegin, Helly R. (Britt Lower) zugeteilt bekommt, die sich zwar freiwillig, so zeigt es ein selbstaufgenommenes Video, für das Severance-Verfahren entschieden hat, aber auf Biegen und Brechen nicht damit abfinden kann, macht sich auch bei ihm ein kritischer Geist bemerkbar. Fragen kommen auf. Was ist es eigentlich, was die Firma tut? Was versteckt sich in den anderen Abteilungen? Wer ist dieser Firmengründer eigentlich, der von allen wie ein Gott verehrt, aber nie sichtbar wird? Mark, Helly und ihre beiden anderen Kollegen Dylan (Zach Cherry) und Irving (John Turturro) beginnen sich zu wehren, wollen nicht mehr Hamster sein, die in ihrem Rad gefangen sind.

Abgesehen von der politischen und sozialen Dimension des Stoffes entwickelt die Serie auch einen Thrillercharakter. Geschickt erzeugt die Inszenierung durch die Musik und den relativ langen Einzeleinstellungen eine konstant unterschwellig bedrohliche Stimmung. Die zwei Welten, die des Unternehmens und die äußere, sind ästhetisch strikt voneinander getrennt. Während die Letztere meist in warmen, satten Farbtönen und eher spärlicher Ausleuchtung gehalten ist, bestehen die Räume im Unternehmen aus unzähligen grauen Gängen und genauso grauen, sterilen, in kaltes Licht getauchte Großraumbüros. Die Kamera ist hier auch meist fest, draußen hingegen bewegter. Sie markiert eine Trennung zwischen angeblich rationaler und irrationaler, unsentimentaler und emotionaler Sphäre.

Eine große Stärke von Severance – was aber auch gleichzeitig für etwas Frustpotenzial sorgt – ist, dass er sehr viele Einzelmotive nicht erklärt. Dazu gehört es beispielsweise, dass nie ganz klar wird, was Lumen Industries überhaupt produziert. Selbst vor den Mitarbeitern, die gar niemandem verraten können, was sie tun, werden die Arbeitsprozesse verschleiert. Sie müssen auf dem Bildschirm nach Zahlenkombinationen Ausschau halten, die ihnen bedrohlich erscheinen und diese dann in virtuellen Ordnern ablegen. Insgesamt ist der Tonfall der Serie ein ernster. Es handelt sich um keine Parodie, sondern um eine Dystopie. Trotzdem schaffen es ein paar intelligente Einzelideen, die geschickt durch die Wiederholung gefestigt werden, auch etwas Humor einzubringen. Im Übrigen bleibt es auch bei einem offenen Schluss, – mit dem sich die Macher vielleicht doch die Option auf eine Fortsetzung offen lassen wollen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/severance-miniserie-2022