Die Gangster Gang (2022)

Einmal böse, immer böse?

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Hat man einmal einen Ruf weg, ist es nur schwer, ihn wieder loszuwerden. Sollte man ihn dann nicht einfach gleich umarmen? Ihn gar zum eigenen Vorteil nutzen? Die Mitglieder der fünfköpfigen „Gangster Gang“ (warum eigentlich ohne Bindestrich?) aus dem gleichnamigen DreamWorks-Animationsfilm haben diese Fragen für sich mit „Ja“ beantwortet, akzeptieren ohne Murren, dass jeder sie für böse hält und sie daher anscheinend nur böse Dinge anstellen können. In einer Welt, in der Menschen und anthropomorphe Tiere zusammenleben, verbreiten der gewiefte Langfinger Mr. Wolf (deutsche Stimme: Sebastian Bezzel), der kein Blatt vor den Mund nehmende Safeknacker Mr. Snake (Kurt Krömer), der Verwandlungskünstler Mr. Shark (Fynn Kliemann), der muskelbepackte, stets auf Krawall gebürstete Mr. Piranha (Jannis Niewöhner) und die versierte Hackerin Ms. Tarantula (Joyce Ilg) als Diebe und Räuber Angst und Schrecken.

Ihr kriminelles Geschäft läuft prima. Jeder Handgriff bei ihren Einbrüchen sitzt. Doch eines Tages passiert das Unglaubliche: Das Quintett wird verhaftet und droht für lange Zeit im Gefängnis zu verschwinden. Just in dieser schwarzen Stunde bekommt die Gangsterclique allerdings Schützenhilfe von Professor Marmalade (Max Giermann), einem steinreichen Meerschweinchen mit philanthropischer Ader. Der kleine Nager kann Gouverneurin Diane Foxington, eine pragmatische Füchsin, überzeugen, von einer Haftstrafe abzusehen, sollte es ihm gelingen, den Wolf, die Schlange, den Hai, den Piranha und die Spinne auf den Weg der Tugend zu lenken. Eigentlich wollen die fünf ihr Image nur vordergründig aufpolieren und schmieden im Geheimen bereits Pläne für das nächste große Ding. Doch dann tut sich eine Bedrohung auf, die das Selbstverständnis der Gruppe erschüttert.

Der Kerngedanke des animierten Heist-Movies, das auf einer Kinderbuchreihe des Australiers Aaron Blabey basiert, ist spannend und weckt Hoffnungen auf ein Ganovenabenteuer mit inhaltlich pfiffigen Akzenten. Bloß dem äußeren Schein zu folgen, ist zweifelhaft,  ruft uns der Film entgegen, dessen Protagonist*innen zumeist mit schlechten Eigenschaften verbunden werden. Im Märchen ist der Wolf der Bösewicht. Schlangen sind listig. Vor Haien sollte man sich in Acht nehmen, wie uns auch das Kino, vor allem Steven Spielbergs Klassiker Der weiße Hai gelehrt hat. Piranhas sind grundsätzlich aggressiv. Und Spinnen, wer mag diese nicht sehr ansehnlichen Krabbeltiere denn überhaupt? All diese Klischees nutzt Die Gangster Gang, um einseitige Vorstellungen und falsche Annahmen zu hinterfragen. Denn natürlich sind Mr. Wolf und Co nicht von Grund auf schlecht.

Eingebettet ist das Spiel mit Stereotypen in eine temporeiche, auf Slapstick-Einlagen und Situationskomik setzende Geschichte, die den Wert von Freundschaft zu unterstreichen versucht und auch die Erwachsenen im Publikum abholen möchte. Wer Quentin Tarantinos abendfüllendes Regiedebüt Reservoir Dogs – Wilde Hunde kennt, könnte die Namen der Hauptfiguren als Anspielung auf das Ensemble aus dem Gangsterfilm von 1992 sehen, in dem ein Mr. White, ein Mr. Blonde, ein Mr. Orange und weitere nach Farben benannte Gestalten an einem schrecklich schieflaufenden Überfall teilnehmen. Tarantinos moderner Klassiker Pulp Fiction kommt einem in den Sinn, wenn man dem Gespräch zwischen Mr. Wolf und Mr. Snake zu Beginn in einem Diner lauscht, das sich um Geburtstagskuchen dreht. Regisseur Pierre Perifel und das Drehbuchgespann Etan Cohen (Holmes & Watson) und Hilary Winston (Mitschöpferin der TV-Serie Bad Teacher) streuen nette kleine Verweise aus, die wenigstens zum Schmunzeln animieren. Etwas plump sind aber die Bezüge zu Steven Soderberghs stargespicktem Heist-Streifen Ocean’s Eleven, auf den in den Dialogen allzu explizit abgehoben wird.

Kleine Zuschauer*innen dürften an der flotten Inszenierung, an manch amüsantem Missgeschick und am bewusst nicht fotorealistischen, sondern mit comichaften Elementen aufgepeppten Animationsstil ihre Freude haben. Ob Die Gangster Gang allerdings bis zum hektisch-konfusen Finale packen und emotional mitreißen kann, ist äußerst fraglich. Einige Twists kündigen sich nämlich mit reichlich Vorlauf an. Andere kommen hingegen fast aus dem Nichts daher. Und besonders die Stellen, an denen sich die innere Dynamik der verbrecherischen Truppe verschiebt, fühlen sich etwas zu schematisch an. Noch dazu wirken die Protagonist*innen trotz charakterlicher Veränderungen am Ende nicht sehr facettenreich. Wie man Außenseiter*innen in einer Vorurteile aufdeckenden und persiflierenden Krimihandlung ein Stück raffinierter inszeniert, demonstriert die 2016 veröffentlichte Animationskomödie Zoomania, an die man beim Anblick dieser DreamWorks-Arbeit ein ums andere Mal denken muss.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/die-gangster-gang-2022