Marry me - Verheiratet auf den ersten Blick (2022)

Hochzeitsbund statt Schlangenschlund

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Wir schreiben das Jahr 1997. Das Kino erlebt zahlreiche Sternstunden: „L.A. Confidential“, „Das süße Jenseits“, „Titanic“, „Lost Highway“ – und, ähm, „Anaconda“… Das Creature Feature hatte nicht nur eine gefräßige Riesenschlange zu bieten, sondern war auch die erste Zusammenarbeit von Jennifer Lopez und Owen Wilson. Und nun, ein Vierteljahrhundert später, folgt „Marry Me – Verheiratet auf den ersten Blick“, ein Film, der ganz in der Tradition der RomComs aus den 1990er und frühen 2000er-Jahren steht, von „Pretty Woman“ über „e-m@il für Dich“ bis hin zu „Wedding Planner“.

Das bedeutet: Es geht um zwei Menschen, die eigentlich überhaupt nichts verbindet, die aber dennoch nach kürzester Zeit glauben, füreinander bestimmt zu sein. Nachdem ein paar Konflikte „gelöst“ wurden, fallen die beiden sich in die Arme – Tränen, Freude, Küsse, Musik, Happy End. Hm, schwierig… Das bedeutet allerdings auch: Wir bekommen circa zwei Stunden perfekten, fluffigen Eskapismus, der nichts von uns verlangt, außer dass wir unsere übergroßen rosaroten Brillen über die gesamte Laufzeit hinweg bitte nicht abnehmen.

Die Regisseurin Kat Coiro und das Drehbuch-Trio Harper Dill, John Rogers und Tami Sagher erzählen auf Basis der gleichnamigen, von Bobby Crosby verfassten (Web-)Graphic-Novel von der erfolgreichen Pop-Sängerin Kat Valdez (Lopez), die im Rahmen einer gigantischen Live-Show ihrem Partner Bastian (Maluma) das Ja-Wort geben will. Als jedoch kurz vor dem großen Moment ein Video viral geht, das Bastian in flagranti mit einer anderen Frau zeigt, lässt sich die Betrogene zu einer Kurzschlusshandlung hinreißen: Sie pickt den völlig ahnungslosen, geschiedenen Mathelehrer Charlie Gilbert (Wilson), der nur seiner Tochter Lou (Chloe Coleman) zuliebe auf dem Konzert ist, aus der Masse heraus, um ihn kurzerhand zu heiraten. Charlie lässt sich spontan darauf ein.

Der Inszenierung muss zugutegehalten werden, dass sie nicht versucht, uns diese absurde Aktion als magischen Moment zu verkaufen. Hier geht es zunächst nicht um eine schicksalhafte Fügung, sondern um zwei Menschen, die – aus nicht unbedingt allzu nachvollziehbaren Gründen – einer verrückten Idee folgen. Dass eine Person in eine Ehe gedrängt und damit ziemlich schutzlos der öffentlichen Aufmerksamkeit ausgesetzt wird, ist fast so beklemmend wie die lärmige Schlange, der Wilson vor 25 Jahren zum Opfer fiel (huch, Spoiler!). Lopez kann wiederum mit ihrer beinahe melodramatischen Spielweise kaum überzeugen; etwas mehr Freude am Overacting hätte das Ganze womöglich stimmiger gemacht.

Überdies fehlt zwischen den beiden Stars weitgehend die Chemie – weshalb es nicht wirklich glaubwürdig ist, dass sich bald doch romantische Gefühle zwischen Kat und Charlie einstellen. Ähnlich wie Bodyguard (1992) oder Notting Hill (1999) lässt Marry Me zwei unterschiedliche Welten aufeinanderprallen. Der Celebrity-Kosmos aus Instagram-Selbstdarstellung, Presseterminen und Luxus-Residenz wird bemerkenswert nuanciert eingefangen; das Umfeld des Pädagogen Charlie ist indes eine reine Märchenversion der Realität. Weder das Shabby-Chic-Apartment noch das zuckrig-harmonische Schulmilieu besitzen einen Hauch von Authentizität. Aber dafür haben wir ja unsere rosaroten Brillen mitgebracht.

Während das zentrale Paar erst im letzten Drittel spannungsreichere und witzigere Szenen hat, sind es, wie so oft, insbesondere die Sidekicks, die für unterhaltsame Augenblicke sorgen – etwa Sarah Silverman als Charlies Kollegin und gute Freundin Parker und John Bradley als Kats Manager Collin. Auch der Vater-Tochter-Beziehung zwischen Charlie und Lou wird der nötige Raum gegeben, um mitfühlen zu können. So ist Marry Me gewiss kein kinematografischer Innovationsakt; doch im Vergleich Monster-Schlange versus Blitz-Hochzeit sagen wir eindeutig lieber hierzu Ja.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/marry-me-verheiratet-auf-den-ersten-blick-2022