Der Nachname (2021)

Namen sind Schall und Rauch? Das sieht Sönke Wortmann anders!

Eine Filmkritik von Markus Fiedler

Ja, diese Herrschaften kennen wir bereits, wenn wir Sönke Wortmanns Film „Der Vorname“ gesehen haben. Den Hochschul-Dozenten Stefan Berger (Christoph Maria Herbst), einen notorischen Besserwisser und Griesgram, seine Frau Elisabeth (Caroline Peters), die sich von ihrem Gatten vernachlässigt fühlt. Deren Bruder Thomas (Florian David Fitz), der seinen Sohn scheinbar Adolf nennen wollte, um seine Verwandtschaft zu provozieren und seine Freundin Anna (Janina Uhse), die sich um jenen Adolf kümmern muss, der in Wirklichkeit Paul heißt und sich nach Thomas‘ Meinung ein Schwesterchen wünscht. Dazu kommen Dorothea (Iris Berben), die Mutter von Elisabeth und Thomas und ihr Freund Rene (Justus von Dohnányi), der einst ihr Pflegesohn war, vor einigen Jahren aber ihr Herz als Mann erobern konnte.

Diesen illustren Haufen Charaktere lässt Wortmann im Familienferienhaus auf Lanzarote erneut aufeinander los und dreht damit zum ersten Mal in seiner Karriere eine Fortsetzung. Die basiert allerdings nicht mehr auf einer französischen Vorlage, sondern stammt allein aus der Feder von Drehbuchautor Claudius Pläging, der bereits den Vorgänger adaptierte. Doch während Der Vorname noch wie eine leichtfüßigere Version von Dramen wie Wer hat Angst vor Virginia Woolf? oder Der Gott des Gemetzels daherkommt, gleitet Der Nachname deutlich stärker ins Boulevard-Theater ab. Denn wo sich der Konflikt im ersten Teil noch organisch aus den unterschiedlichen Charakteren ergab, vertraut Pläging in der Fortsetzung nicht mehr allein darauf, sondern bringt mit absurden Konstellationen das Familientreffen auf Lanzarote auf das Niveau eines Schwanks.

Der Vorname setzte sich mit der Enthüllung des Stiefbruders als neuer Liebhaber der Mutter noch mit einem gewissen Charme über konventionelle Denkweisen hinweg und zog einige starke Momente daraus. Im Nachfolger überspannt Pläging den Bogen der Glaubwürdigkeit hingegen deutlich. Wenn ein Blick ins Fotoalbum genügt, um jahrzehntealte Familiengeheimnisse zu lüften, hat sich der Drehbuchautor die Sache etwas arg leicht gemacht. Ohne die Einengung einer Vorlage scheint Claudius Pläging an einigen Stellen von Der Nachname eindeutig frei zu drehen – und das tut dem Film nicht immer gut. Denn gerade aus der Enge, dem kammerspielartigen Setting, zog Der Vorname viel von seiner Energie und seinem Witz.

Das soll aber nicht heißen, dass Der Nachname keinerlei unterhaltsamen Momente aufweisen würde, das tut der Film durchaus. Denn in den Dialogen beweist Pläging bekannte Qualitäten und setzt feine Spitzen in kurzen, aber prägnanten Statements seiner Protagonisten. So ist das nächtliche gegenseitige Seelenöffnen von Stefan und Schwager Thomas, freundlich unterstützt von einer ordentlichen Portion Haschkekse aus Dorotheas Vorräten, durchaus eine launige Angelegenheit, in der Herbst und Fitz glänzen können. Das gelingt auch Iris Berben, die im Vorgänger nur eine kleine Rolle hatte und diese nun deutlich ausbaut. Als einziges tiefenentspanntes (erneut dürften die Haschkekse eine Rolle spielen) Mitglied der Familie darf sie als Mutter Dorothea Dampf vom Kessel nehmen und durch klare, ruhige Sätze manche Situation entschärfen, was angesichts der mitunter übertriebenen Wortgefechte auch eine ganz gute Idee ist. Als Ruhepol des Films funktioniert Iris Berben ausgezeichnet.

Und so wäre Der Nachname eigentlich auch ein unterhaltsamer Film, würde Pläging die Charaktere nicht ganz so einfallslos aufeinanderhetzen und die einzelnen kleinen Lebenslügen nicht abhaken, als hätte er eine Strichliste abzuarbeiten. Zudem sind die Zufälle arg überstrapaziert – oder wie wahrscheinlich ist es, dass Elisabeths Kollege, mit dem sie angeblich eine Affäre hat, auf der gleichen Schule war wie Anna, die sich noch gut an ihn erinnern kann?

Diese plumpen Momente, in denen der Film wirkt, als seien ihm bereits früh die Ideen ausgegangen, sind es denn auch, die den Spaß trüben und das eigentliche Humor-Potenzial des guten Casts nur gelegentlich aufblitzen lassen. Regisseur Wortmann beweist mit seiner ersten Fortsetzung sein nach wie vor vorhandenes Gespür für gut getimte Pointen, zur durchaus reizvollen Landschaft Lanzarotes fällt ihm hingegen erstaunlich wenig ein. So hat Der Nachname über weite Strecken nicht nur optisch eher TV-Film-Niveau und kann seinem sehenswerten Vorgänger nur selten das Wasser reichen. Wer den aber sehr mochte, der wird auch bei den neuen Katastrophen, die über die Familie hereinbrechen, noch seinen Spaß haben. Und dass eine Fortsetzung nicht mehr so gut ist wie der erste Teil, dürfte Kinofans nun auch nicht übermäßig überraschen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/der-nachname-2021