Die Zukunft ist ein einsamer Ort (2021)

Das letzte Mittel

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Schon der Titel deutet auf einen abwärtsführenden Weg hin: „Die Zukunft ist ein einsamer Ort“. Das Drehbuch- und Regieduo Martin Hawie und Laura Harwarth erzählt von einem Mann, dem in einem einzigen Moment alles Lebenswerte genommen wird – und der fortan nur noch ein Ziel kennt: Rache. Das erinnert in dieser kurzen Zusammenfassung womöglich an reaktionäre Selbstjustiz-Reißer wie „Ein Mann sieht rot“ (1974) mit Charles Bronson (samt Sequels und Nachahmer) oder die „Taken“-Reihe (2008-2014) mit Liam Neeson. Doch während diese Werke kaum Interesse daran erkennen lassen, die Ambivalenz ihrer Hauptfiguren zu vertiefen, da sie in erster Linie Action-Unterhaltung bieten wollen, lässt dieser Film absolut keinen Zweifel daran, dass die Methoden, die der Protagonist wählt, nur zum Abstieg in die Finsternis führen können.

Zunächst sehen wir, wie Frank (Lucas Gregorowicz) einen Geldtransporter überfällt und sich sofort ergibt, als die Polizei naht. Bereits hier lässt sich erahnen, dass dieser Mann einen größeren Plan verfolgt. Er landet in einer Justizvollzugsanstalt und lernt dort rasch die Struktur der Machtverhältnisse kennen. Er gibt vor, in die Drogengeschäfte innerhalb des Gefängnisses einsteigen zu wollen. Sein besonderes Interesse gilt dabei Fuad (Denis Moschitto) – einem Insassen, über den es an einer Stelle heißt, er sei „in seinem Leben länger hier drin als draußen“ gewesen. Nach und nach wird klar, dass Frank Fuad töten will, um jeden Preis. In Rückblenden wird das Motiv hinter diesem Vorhaben beleuchtet.

Hawie und Harwarth setzen die Justizvollzugsanstalt mit ihrem Kameramann Mathias Prause als Ort der permanenten Unsicherheit in Szene. Auf der Ton-Ebene wird das Geschehen in vielen Momenten verfremdet, um die Anspannung zu vermitteln, in der sich die Figuren befinden. Alles ist düster, kalt und bedrohlich. Als Kontrast zu dieser Tristesse sticht vor allem eine Erinnerungssequenz hervor, in der Frank an glückliche Tage mit seiner Familie denkt – Bilder, die wirken, als kämen sie aus einer anderen Welt. Auch in den Dialogen des Skripts schwingt das ständige Gefühl der Unsicherheit mit: „Kann ich dir vertrauen?“, „Kann ich auf dich zählen?“ – Fragen, die sich traurigerweise fast von selbst beantworten. „Wenn ich falle, fällst du auch“, wird an einer Stelle gedroht. Überall lauern Ausnutzung, Betrug und Verrat.

Was Die Zukunft ist ein einsamer Ort nicht zuletzt von durchschnittlichen Genre-Beiträgen unterscheidet, ist die Zeichnung zweier Figuren, die Frank umgeben. Zum einen dessen Gegenspieler Fuad, verkörpert von Denis Moschitto, einem Schauspieler, der in so unterschiedlichen Werken wie Kebab Connection (2005), Aus dem Nichts (2017) und Liebesdings (2022) als Sympathieträger fungierte. Neben der Besetzung der Rolle mit Moschitto wird auch in dramaturgischer Hinsicht verhindert, dass Fuad zum eindimensionalen Bösen der Geschichte verkommt. Denn auch ihm und seinem Schicksal wird eine Rückblende zuteil, die deutlich macht, dass Fuad weniger der Verursacher einer Gewaltspirale ist, sondern vielmehr ebenfalls in aller Verzweiflung mittendrin steckt. Zum anderen bringt Katharina Schüttler als Wärterin Susanna eine zusätzliche Tragik in den Film: eine Figur, von der wir lange Zeit nicht wissen, auf welche Seite sie sich letztlich stellen wird.

In seinem letzten Drittel verdichtet sich Die Zukunft ist ein einsamer Ort zu einem Drei-Personen-Stück. Der Schauplatz wechselt, aber die Bedrückung bleibt. Das Ende, das Hawie und Harwarth für ihr Figurentrio vorsehen, bestätigt in seiner Härte und Konsequenz, dass es hier nicht um leicht konsumierbare Action geht, sondern um eine ernst zu nehmende Auseinandersetzung mit gebrochenen Charakteren und den bitteren Folgen ihres Handelns.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/die-zukunft-ist-ein-einsamer-ort-2021