As in Heaven (2021)

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Eine Filmkritik von Sarah Stutte

Der ehrfürchtige Glaube, sich selbst bereitwillig in Gottes Hände zu geben, in der Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod und der innerlichen Reinigung von Sünde und Schuld, lässt die irdische Existenz irgendwie entbehrlich erscheinen. Diese unerschütterliche Religiosität führt aber auch dazu, dass sich die wahrhaft Gläubigen in unruhiger Paranoia durch ihr Dasein auf Erden bewegen, aus Angst vor den Folgen eines Fehltritts, überzeugt davon, Gott erwarte tadellose, aufrechte Handlungen. 

As in Heaven, das Spielfilmdebüt der aufstrebenden dänischen Regisseurin Tea Lindeburg, tänzelt nicht nur am Rand dieser Ambivalenz entlang, sondern offenbart noch eine weitere: Ländlich-religiöse Gemeinschaften wie diejenige, die im Film gezeigt wird und im späten 19. Jahrhundert angesiedelt ist, gingen damals einher mit dem festen Griff des Patriarchats, der sich bis heute an vielen Orten nicht gelockert hat. Aus diesem Grund könnten die Themen, die hier behandelt werden, aktueller nicht sein. 

Wir befinden uns auf Fünen, einer dänischen Insel in Zeiten einer abergläubischen Welt. Hier suchen die Figuren in jeder Begebenheit, in jedem Grashalm nach der Anwesenheit des Herrn. Die 14-jährige Lise (Flora Ofelia Hofmann Lindahl) hat von ihren strengen, bäuerlichen Eltern die Erlaubnis erhalten, allein auf ein Internat zu gehen, um von den sich allmählich verbessernden Perspektiven für Frauen in dieser Zeit zu profitieren. 

Zwar hat Lises Mutter Anna (Ida Cæcilie Rasmussen) mehr Kinder, als sie zählen kann – Lise ist die Älteste und trägt somit Verantwortung für ihre jüngeren Geschwister –, befindet sich aber wieder kurz vor der Entbindung. Die bevorstehende Geburt ist jedoch eine schwierige, gar traumatische und wirft die Tochter auf die familiären Pflichten der Mutter zurück, die sie letztlich daran hindern, ihr Potenzial auszuschöpfen. 

As in Heaven konzentriert sich, in mehr als einer Hinsicht, voll und ganz auf die Arbeit der Frauen und die sozialen Bindungen sowie die Anforderungen, die die männliche Macht an sie stellt. Hauptdarstellerin Lindahl als Lise ist stark, aber vielleicht noch bemerkenswerter ist die Art und Weise, wie Lindeburg sie inszeniert: Anfangs ist sie die aktive Präsenz, die die Geschichte vorantreibt, dann wird sie in eine Zuschauerrolle gedrängt, die eine eher reaktive, innere Schauspielweise erfordert. 

Nicht nur die, in ihrer authentischen Unaufdringlichkeit umso erschütterndere Botschaft überzeugt. Der Film hat einen sorgfältig kontrollierten Ton, der anfangs düster und unheimlich wirkt, dann aber die Spannung immer mehr steigert. Diese ergibt sich fast vollständig aus der inneren Entwicklung der Hauptfigur, denn die Geschichte spielt sich auf klaustrophobische Weise fast ausschliesslich auf dem elterlichen Hof ab. Damit werden die Grenzen aufgezeigt, zwischen denen Lise sich bewegt, die sie vom Rest der Welt trennen und ihr die Luft zum Atmen nehmen.

Es ist eine harte, in gewisser Weise pessimistische Steigerung historischer Ausweglosigkeit – unheimlich und flüchtig, wie die Visionen, von denen Lindahls Figur unregelmäßig heimgesucht wird. Trotzdem ist As in Heaven nicht nur trostlos, sondern trägt auch diese leise Hoffnung in sich, die durch Lises Trotz genährt wird. Brechen lässt sie sich nicht.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/as-in-heaven-2021