Was tun (2020)

Willenskraft

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

„Was tun“ heißt dieser Film. Am Ende des Titels steht kein entschlossenes Ausrufezeichen, das zur Handlung auffordert, aber auch kein Fragezeichen, durch das der Eindruck von Ratlosigkeit entstehen könnte. Die Einstellung, mit der Michael Kranz in seinem Abschlussfilm der Hochschule für Fernsehen und Film vorgeht, wird durch diese Titelwahl sehr gut erfasst. Es geht Kranz offenkundig darum, etwas zu unternehmen – allerdings ohne eine zur Schau gestellte Courage, sondern begleitet von Zweifeln, von einem Bewusstsein der eigenen Grenzen.

Auslöser für Was tun war ein anderer Film beziehungsweise eine kurze Szene daraus: ein Interview mit einer 15-Jährigen aus Michael Glawoggers Whores’ Glory (2011). Die junge Frau beginnt darin, eigene Fragen zu stellen, statt Antworten zu geben, etwa ob es für Frauen keinen anderen Weg als den des Leides gebe. Kranz ließ diese Passage nicht mehr los – ein Gefühl, das wir sicher alle kennen. Egal, ob Szenen aus Spiel- oder Dokumentarfilmen, aus den Nachrichten im Fernsehen oder im Netz, sie erschüttern uns, sie wecken in uns den Wunsch und den Drang, etwas zu tun. Zugleich wissen wir, dass wir allein die Welt nicht zu retten vermögen.

Und auch Kranz weiß das. Er spricht das Bild des „weißen Retters“ an, der nun nach Bangladesch reist, um das arme Mädchen von einst zu suchen. Dennoch tritt er ebenjene Reise an – ohne Pathos, ohne eine genaue Vorstellung, was ihn dort erwartet und was er überhaupt erreichen kann. Das Einzige, was er hat, ist der Wille, etwas zu tun. Der zurückhaltende und bedachte Tonfall des Films ist die große Stärke von Was tun; jede Spur von Eitelkeit, jegliche Samaritaner-Pose hätte dem Werk und dessen Sujet nur geschadet.

Wir begleiten Kranz nach Bangladesch – und es gelingt dem Regisseur, das Chaos spürbar zu machen, dem er sich selbst dort ausgesetzt sieht. Um die junge Frau ausfindig zu machen, muss er sich dem Milieu der Zwangsprostitution zuwenden. Via Voice-over lässt er uns dabei auch immer wissen, welche filmischen Vorgaben und Absprachen es gibt – wo und was er filmen darf. Zu den ernüchternden Erkenntnissen des Films gehört, dass auch die Frauen, die aus der Prostitution und damit aus einer ständigen Misshandlung befreit werden, letztlich wieder weggesperrt werden – mit der Begründung, sie vor männlichen Übergriffen zu beschützen. Ein Durchbrechen des Kreislaufs aus Gewalt und Unterdrückung scheint somit gar nicht möglich, da die Gewalt als naturgegeben hingenommen und die Unterdrückung, also der Freiheitsentzug, als einzige Lösung nicht infrage gestellt wird.

„Retten“ im Sinne eines Märchens, einer Hollywood-Geschichte, einer perfekten Instagram-Story kann Kranz die von ihm Gesuchte natürlich auch nicht. Und doch zeigt Was tun, dass der Wille, etwas Gutes zu tun, kraftvoll sein kann. Der Regisseur liefert keinen Leitfaden, wie wir die Welt verbessern können; er stilisiert sich nicht zum Helden. Seinem Beispiel zu folgen, sollte dennoch eine gute Idee sein. Tun wir was.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/was-tun-2020