The Middle Man - Ein Unglück kommt selten allein (2021)

In einer kleinen Stadt

Eine Filmkritik von Sarah Stutte

Der ruhige Frank Farelli (Pål Sverre Hagen) ist seit geraumer Zeit arbeitslos und das in einer toten Stadt. Das Hotel ist seit Jahren geschlossen, ebenso wie das örtliche Kino. Wie die sogenannte städtische Kommission erklärt – bestehend aus dem Sheriff, dem Pfarrer und dem Arzt – können die Straßenlaternen nicht mehr in Betrieb gehalten werden, weil das Budget aufgrund fehlender Steuerzahler schrumpft. 

Problematisch ist zudem, dass die im Ort Verbliebenen durch eine Reihe seltsamer Unfalltode dezimiert werden. Da im Rathaus nur die drei Männer und eine Sekretärin (Tuva Novotny) versuchen, die Dinge am Laufen zu halten, wird jemand benötigt, der die Todesmeldungen persönlich den Angehörigen mitteilt.

Hier kommt ein neu geschaffener Behördenposten ins Spiel: Der Mittelsmann. Frank fühlt sich dazu berufen, hat er doch früher als Schalterangestellter an einem Bahnhof gearbeitet, bevor dieser ebenfalls geschlossen wurde. Die Anwohner gaben ihm daraufhin die Schuld dafür, dass der Zug nicht mehr anhielt. Er weiß also, wie es sich anfühlt, für Ereignisse verantwortlich gemacht zu werden, auf die er keinen Einfluss hat. Noch dazu braucht er das Geld, schon allein, um seiner Mutter (Nina Andresen Borud), bei der er wohnt, nicht mehr ständig auf der Tasche zu liegen. Der Job gestaltet sich aber nicht ganz so einfach und bald laufen die Dinge in der kleinen Stadt gehörig aus dem Ruder. 

Nach dem Roman Sluk von Lars Saabye Christensen führt der norwegische Autor und Regisseur Bent Hamer mit schräger Absurdität und knochentrockener Heiterkeit durch Franks Geschichte. Diese spielt in einer vermutlich amerikanischen verlassenen Kleinstadt irgendwo im Rust Belt, die jedoch überall sein könnte. Frank trägt seinen neuen schwarzen Anzug mit Stolz, ist jedoch ein unbeholfener Übermittler schlechter Nachrichten. 

Als er bei der Tragödie, die sich schließlich ereignet, anwesend ist, wird ihm plötzlich attestiert, ein wandelnder Unglücksbringer zu sein. Schliesslich war er als Kind auch Zeuge des makabren Unfalls seines Vaters, bei dem dieser starb. Tod und Schmerz scheinen ihn zu verfolgen, obwohl er selbst nie einer Seele etwas antun würde. In der Folge steigert sich der bissig-satirische Humor noch. Zwischen Franks netter Art, der todernsten Strenge der Kommissionsmitglieder und den üblichen Kleinstadt-Possen, die immer in einem Blutvergießen enden, entwickelt sich der Ort allmählich zu einer düsteren Stätte. Auch Frank wandelt sich vom blossen Beobachter zum Beteiligten an den Gewalteskapaden. Ob durch dummen Zufall oder Ungeschicklichkeit – sein Posten als Mittelsmann bringt eine tödliche Domino-Reaktion ins Rollen, die er nicht aufhalten kann.

Eine der besten Szenen spielt sich zwischen dem die Hiobsbotschaft überbringenden Frank und dem Vater seines besten Freundes Steve Miller (Rossif Sutherland) ab. Martin Miller (Kenneth Welsh) ist frustriert über Franks Unfähigkeit, auf den Punkt zu kommen und über die Gewissheit, dass nichts Gutes dabei herauskommt, wenn er es endlich ausspuckt. Hoffnung hat Frank keine mitgebracht. Auch bei ihm schwindet allmählich der Glaube an das Gute – bis hin zur bittersüßen Erkenntnis, dass an diesem dunklen Ort auf Erden nichts wächst, ausser dem Zweifel. 

The Middle Man greift Themen wie Verlust und Trauer auf, trotzdem fehlt eine lineare emotionale Linie. Die Geschichte wechselt zwischen ernsten und skurrilen Momenten, ohne den Zuschauer intensiver an Figuren und Schicksale zu binden. Dafür erzeugen die sorgfältig komponierten Bilder und eleganten Kamerabewegungen einen beklemmenden visuellen Ton.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/the-middle-man-ein-unglueck-kommt-selten-allein-2021