Vengeance Is Mine, All Others Pay Cash (2021)

Rache ist süß

Eine Filmkritik von Teresa Vena

Gleich und gleich gesellt sich gerne, sagt man. Und das könnte im Fall von Ajo (Marthino Lio) und Iteung (Ladya Cheryl) nicht mehr stimmen. Beide sind stur, voller Energie und gute Kämpfer. Was gibt es Romantischeres, als sich wortwörtlich die Fäuste um die Ohren zu hauen? Schlag auf Schlag erobert Iteung das weiche Herz von Ajo, das er hinter einer Machofassade versteckt. Als sich dann auch noch Ajos Sorge als unbegründet erweist, dass Iteung nichts von ihm wissen will, wenn sie erfährt, dass er an Impotenz leidet, heiraten die beiden und verleben eine glückliche Zeit. Doch dann macht sich das sexuelle Verlangen bei Iteung trotzdem bemerkbar, weswegen sie den Avancen von Budi (Reza Rahadian) erliegt. Als klar wird, dass dies nicht ohne Folgen geblieben ist, rastet Ajo aus. Er bringt, einen früher erteilten Auftrag ausführend, einen örtlichen Mafioso um und muss als Strafe, aber auch als Schutz vor Vergeltungsaktionen aus dem Milieu, ins Gefängnis.

Der indonesische Regisseur Edwin fügt mit seinem rasant inszenierten Vengeance Is Mine, All Others Pay Cash dem Rachefilmfach eine originelle Interpretation hinzu. Er nutzt darin die gängigen Klischees über die Geschlechter, um sie, nicht unbedingt auf besonders subtile, aber dennoch sehr effektive Weise, zu demontieren. In erster Linie erzählt der Film die Geschichte einer bedingungslosen Liebe, deren Intensität nach jedem überwundenen Hindernis wächst. Bei Edwin sieht man, dass es möglich ist, dies auch völlig unsentimental zu zeigen. Ganz im Gegenteil beschreibt der Regisseur vielmehr einen kruden und feindseligen Rahmen, in dem sich die Protagonisten bewegen und worin, so könnte man glauben, der Kampf ums eigene Überleben unmittelbarer ist als die Solidarität zu einem anderen.

Vengeance Is Mine, All Others Pay Cash führt vor, wie geschickt politischer Diskurs mit den Mitteln des Genrefilms geführt werden kann. In seiner Direktheit entwickelt der Film nämlich eine Relevanz, die eine Vielzahl von explizit politisierten Werken nie erreichen. Hier die in Edwins Mischung aus schwarzer Komödie, Actionfilm und Thriller dargestellte Gewalt symptomatisch für eine Gesellschaft, die tatsächlich, im direkten oder auch im übertragenen Sinne, zum Beispiel in Form von sozialem, religiösem oder politischem Druck, solche erfährt. Im Konzept patriarchalischer Männlichkeit gilt sexuelle Impotenz wohl als völliges Versagen für einen Mann. Die konkrete Impotenz wird zu einer allgemeinen, da er seine Frau dann weder auf die eine noch auf die andere Weise zu dominieren weiß.

Edwin entscheidet sich nicht für den einfachen Weg, indem er dieses Motiv zum Gegenstand komischer Entwicklungen macht, und unterscheidet sich damit von den meisten anderen Autoren, bei denen das Thema dazu genutzt wird, die jeweiligen Protagonisten lächerlich zu machen. Sein Humor ist ein subtilerer. Ajo vergleicht er mit einem unter Druck stehenden Kochtopf. Die Figur wird von einer blinden, sich körperlich manifestierenden Wut ergriffen, die sicherlich mit seinem Defizit zusammenhängt, aber auch seinem Wunsch nach Anerkennung. In der Begegnung mit Iteung wird er zwischenzeitlich besänftigt, doch nur bis zu ihrem „Verrat“. Zu den effektivsten und eingängigsten ironischen Szenen des Films gehört der Moment, in dem Ajo davon erfährt. Ab dann und für lange Zeit fällt ihm immer nur ein einziges Wort dazu ein: „Schlampe!“. Tag und Nacht ist sein Geist davon beherrscht. Nur als ihn sein Zellengenosse im Gefängnis bewusstlos schlägt, findet er einen Moment Ruhe.

Von einer ähnlichen Wut ist auch Iteung angetrieben. Edwin hat mit ihr eine ungewöhnliche und überaus sprechende Frauenrolle geschaffen. Die an sich zierliche Person zeichnet sich durch Entschlossenheit und Durchsetzungsvermögen aus. Sie ergibt sich keinen Moment den äußeren Umständen, sondern führt ihren Rachefeldzug effizient und unbeirrbar durch. Der soll nicht nur ihrem Mann zu Gerechtigkeit verhelfen, sondern dem gesamten weiblichen Geschlecht in der misogynen Gesellschaft zugute kommen. Und tatsächlich fühlt sich Iteungs mit Leichen gepflasterter Weg in gewisser Weise wie ein Befreiungsschlag an. Doch im Grunde geht es natürlich weit weniger um das Ziel, sondern um den Weg, der dahin geführt hat. Das gilt sowohl für Iteung als auch Ajo. Beide unternehmen, im realen ebenso wie im metaphorischen Sinn, eine Reise, die sie erst voneinander trennt, aber schließlich wieder zusammenführt.

Ganz im Geiste der 1980er Jahre, in der die Geschichte angesiedelt ist, wartet der Film mit einer bunten Bildsprache auf, orientiert sich in Musik und Ausstattung an der Popkultur der Zeit und bietet durch die Versetzung in die Vergangenheit eine Verfremdung, die dem Film neben der sozialkritischen eben auch eine äußerst unterhaltsame Ebene verleiht.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/vengeance-is-mine-all-others-pay-cash-2021