Die Geschichte meiner Frau (2021)

Vom Suchen und Verlieren der Liebe

Eine Filmkritik von Falk Straub

Vier Jahre ist Ildikó Enyedis Gewinn des Goldenen Bären inzwischen her. Seither hat die 1955 geborene Ungarin Episoden zu einer Fernsehserie beigesteuert und einen Kurzfilm realisiert. Ihr neuer abendfüllender Spielfilm nach dem Triumph in Berlin ist eine Romanadaption, spielt zum Teil in Hamburg und erzählt von einem ungleichen Paar. Damit hatte es die Regisseurin dieses Jahr in den Wettbewerb nach Cannes geschafft.

Die Ehe der zwei Hauptfiguren beruht auf einer Wette, einer Laune und Magenschmerzen. Dem niederländischen Frachterkapitän Jakob Störr (Gijs Naber) bekommt das Essen an Bord nicht. An den Kochkünsten seines Smutjes Habib (Nayef Rashed) liegt es nicht. Schon eher an der Einsamkeit. Habib rät seinem Kapitän, sich eine Ehefrau zu suchen, was Jakob auf die fixe Idee bringt, bei einem Treffen mit dem halbseidenen Geschäftsmann Kodor (Sergio Rubini) eine Wette einzugehen. Der nächsten Frau, die über die Schwelle des Cafés tritt, in dem die zwei sitzen, will er einen Antrag machen. Zu seiner und des Kinopublikums Verblüffung nimmt die junge Französin Lizzy (Léa Seydoux) an.

So ungewöhnlich wie der Antrag ist auch die Hochzeitsnacht. Dem Vollzug der Ehe geht eine Partie Seemannspoker voraus, an deren Ende Jakob splitterfasernackt am Tisch sitzt. Am nächsten Tag verlässt er die Wohnung mit der Hoffnung, dass Lizzy auch noch da sein werde, wenn er von seiner nächsten Heuer zurückkommt. Lizzy bleibt, sieht mit an, wie Jakob ihr zuliebe von Frachtschiffen zu Luxuslinern wechselt, zieht mit ihm von Paris nach Hamburg (im Roman ist es London), wo er bei der Seenotrettung anheuert, und ist doch nie richtig anwesend. Lizzy ist immer auf dem Sprung und mit ihren Gedanken woanders: bei den Partys und Männern der unbeschwerten 1920er, die aufregender sind als ihr introvertierter Seebär. Einer davon ist der Schriftsteller Dedin (Louis Garrel), der ihr von der Seine heimlich bis in die Hansestadt folgt.

Ildikó Enyedi hat einen Film über das Misslingen der Liebe gedreht. Jakobs und Lizzys Ehe ist von vornherein zum Scheitern verurteilt, was beide wissen, worauf sie sich aber trotzdem einlassen und was nicht heißt, dass ihre Gefühle füreinander nicht echt sein könn(t)en. Jakobs Affäre mit der noch jüngeren Grete (Luna Wedler) etwa scheitert an den Gefühlen für seine Frau. Welche Ziele Lizzy verfolgt, bleibt indessen offen. Die große Kunst dieses in sieben Lebenslektionen eingeteilten Films ist es, alles in der Schwebe zu halten. Léa Seydoux' flüchtiges Spiel, das sie für das Publikum nicht greifbar macht, und die Bilder des Kameramanns Marcell Rév, denen etwas Traumhaftes anhaftet, tragen viel dazu bei. Alles in allem ist diese Adaption aber arg konventionell geraten. Das „Magisch-Geheimnisvolle“, das meine Kollegin Verena Schmöller Enyedis Berlinale-Gewinner Körper und Seele (2017) attestierte, sucht man in Die Geschichte meiner Frau vergebens.

Die Vorlage stammt von Enyedis Landsmann Milán Füst (1888-1967), der an seinen gleichnamigen Roman (im Original: A feleségem története) sieben Jahre lang arbeitete, bevor er ihn 1942 vollendete. Schon bei Füst ist der Titel irreführend, denn die Geschichte ist aus Jakob Störrs Sicht geschildert. Enyedi hat den Gedankenstrom des gehörnten Kapitäns nur ganz zu Beginn in subjektive Bilder übersetzt. Deren Mixtur aus prachtvollen Farben, kleinen Einstellungsgrößen und außergewöhnlichen Kompositionen deutet an, wohin dieser Film hätte steuern können.

Ursprünglich hätte sich die Handlung vollständig in Jakobs Verstand abspielen sollen. Angesichts einer Laufzeit von fast drei Stunden ist es nachvollziehbar, dass sich Enyedi in einer letzten Drehbuchfassung dann doch noch gegen diese „ziemlich komplexe visuelle Erzählstruktur“, wie sie in einem Interview sagt, entschieden hat. Das ist schade. Einen Versuch wäre es wert gewesen. Letztlich setzt Ildikó Enyedi ihr Publikum in vertraute Fahrwasser, statt sie unvermittelt in die Wogen zu werfen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/die-geschichte-meiner-frau-2021