The Last Mercenary (2021)

Alte Fäuste, simpler Spaß

Eine Filmkritik von Falk Straub

Actionstars haben einiges mit Rockmusikern gemein. In der Blüte ihrer Jugend grüßen sie sexy von Postern an Kinderzimmerwänden. Doch wer den Absprung verpasst, erstarrt alsbald in dieser blamablen Pose. Nichts ist peinlicher als ein Rocker, der auf der Bühne seine Plauze vor sich herschiebt und die rings um die Halbglatze verbliebenen Haare traurig durch die Luft wirbelt. Oder ein Actionstar, der mit Müh und Not die müden Knochen durch die Gegend schleppt und nur noch mithilfe geschickter Schnitte flinke Schläge und Tritte austeilen kann. Wie es auch anders gehen kann, zeigt Jean-Claude Van Damme in seinem neuen Netflix-Film.

Der 1960 geborene Belgier spielt Richard Brumère, einen unfreiwillig zum Söldner gewordenen Ex-Agenten, der im französischen Staatsapparat so sagenumwoben ist, dass er ehrfurchtsvoll „La brume“, „Der Nebel“ genannt wird. Nach Jahren in der Versenkung taucht Richard wieder auf, um seinen Sohn Archibald Al Mahmoud (Samir Decazza) vor der Abschiebung zu retten. Der drohenden Deportation ging ein Fehler des vertrottelten Regierungsbeamten Alexandre Lazare (Alban Ivanov) voraus, hinter dem ein noch komplexeres und für den Handlungsverlauf zu vernachlässigendes Verbrechen steckt. Denn in erster Linie ist David Charhons Actionkomödie ein simpler Spaß.

Schon die Actionfilme der 1980er und 1990er Jahre, mit denen Van Damme, Stallone, Schwarzenegger und Co. weltberühmt und ihre Fans groß wurden, waren immer dann am besten, wenn sie sich selbst nicht zu ernst nahmen. Regisseur David Charhon und sein Co-Autor Ismaël Sy Savané sind sich dessen bewusst. Sie spielen nicht nur augenzwinkernd auf Höhepunkte des Actionkinos an, sondern nehmen es gleichzeitig auf die Schippe. Van Dammes berühmten Spagat, vor ein paar Jahren noch einmal prominent in einem viral gegangenen Werbeclip für einen Autohersteller ausgeführt, verbraten die Autoren gleich zu Beginn. Und allein die Mythen, die sich um Richard ranken, sind brüllend komisch. Dem setzt Van Damme durch seine unbändige Spielfreude noch einen obendrauf.

Charhon tut gut daran, sich nicht am Überbietungsgestus des zeitgenössischen Actionkinos zu beteiligen. Sein Film ist weder eine ultrabrutale Übertreibung wie Sylvester Stallones Expendables-Reihe, die dem Irrglauben verfällt, die mangelnde Beweglichkeit der alten Recken mit Feuerkraft wettmachen zu können, noch ist es eine bis an die Grenzen der Absurdität gesteigerte Fantasie wie das Fast-&-Furious-Franchise, das sich schon lange nicht mehr um Glaubwürdigkeit schert. Glaubwürdig ist freilich auch die Handlung von The Last Mercenary nicht, dafür aber um einiges ansprechender, weil alles zwei Nummern kleiner daherkommt.

Verfolgungsjagden finden in Fahrschulautos oder auf E-Scootern statt, und Richard prügelt seine Gegner schon mal in Frauenkleidern und mit Langhaarperücke zu Kleinholz, wenn es die Tarnung erfordert. Das ist erfrischend anderes und ausgesprochen albern. Assistiert wird er dabei von einem diversen Cast (Assa Sylla, Djimo), dessen Figuren den "Muscles from Brussels" zwar in Schlagkraft, aber nicht in Schlagfertigkeit nachstehen. In dieser Komödie sind die Mundwerke so flink und lose wie die Fäuste.

Blondie auf dem Soundtrack, Miou-Miou, Valérie Kaprisky und Philippe Morier-Genoud in Nebenrollen und ein Bösewicht, der sich für Tony Montana aus Brian De Palmas Scarface (1983) hält – ein Nostalgikerherz kann eigentlich nicht mehr verlangen. Und doch gelingt es Charhon, nicht zu sehr an der Vergangenheit zu kleben. „Es wird Zeit, sie jetzt ein für alle Mal abzuhaken, die 90er Jahre“, formuliert es der von Patrick Timsit gespielte Kommandant Jouard recht früh im Film. The Last Mercenary zeigt, wie es Van Damme und Co. in die Gegenwart des Actionkinos schaffen könnten.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/the-last-mercenary-2021