House of Gucci (2021)

(M)ÖDE

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

„Father, Son and House of Gucci!“, beteuert Patrizia und bekreuzigt sich. Blasphemie und Mode – herrlich! Szenen wie diese, mit denen „House of Gucci“ beworben wird, lassen vermuten, der Film könne ein ironischer Spaß sein. High Fashion, Eighties-Pop, Lady Gaga in der Hauptrolle… what’s not to love?! Der Trailer kann allerdings zugleich die Befürchtung aufkommen lassen, dass hier ein realer Mordfall zu Unterhaltungszwecken ausgebeutet wird. Schon klar, das ist das Prinzip von True-Crime-Formaten. Aber nur weil sich ein Genre immer größerer Beliebtheit erfreut, müssen wir dessen Mechanismen ja nicht kritiklos hinnehmen. Echte Verbrechen sind nicht sexy oder aufregend, auch wenn zahllose Filme, Serien, Bücher und Podcasts sie uns gerne so verkaufen möchten.

Die gute Nachricht ist: Die spektakuläre True-Crime-Exploitation-Show ist House of Gucci nicht geworden. Der Auftragsmord an Maurizio Gucci im Jahre 1995 durch seine Ex-Frau Patrizia Reggiani Gucci nimmt in dem 157-Minüter vergleichsweise wenig Raum ein. In den Passagen, in denen sich Ridley Scott mit der Sache befasst, macht der Regisseur dennoch ziemlich viel falsch. Nein, die Kamera sollte nicht draufhalten, wenn mehrere Schüsse auf ein dem Leben nachempfundenes Opfer abgefeuert werden – was soll das bitte? Und nein, der Person, die diesen Mord eingefädelt hat, sollte direkt danach keine pathetische Szene gewidmet werden, in der sie bittere Tränen vergießen darf. Der Film hat in den circa 140 Minuten davor kaum Interesse an ihrer Persönlichkeit gezeigt – dann muss er nun auf den letzten Metern auch keines mehr heucheln.

Und die Ironie? Die Mode? Die Musik? Gaga? Sind alle vorhanden, aber ohne jegliches Gespür eingesetzt. Lady Gaga spielt viel (oder schreiben wir zur grafischen Verdeutlichung lieber: VIEL), jedoch nicht überzeugend. Kein Vergleich zu ihrer einfühlsamen Schauspielleistung in A Star Is Born (2018). Musikalisch ist von George Michael über die Eurythmics bis hin zu Blondie alles Erdenkliche zu hören; sämtliche Songs werden indes völlig wahllos unter die Bilder gelegt, sodass sich keine interessanten audiovisuellen Verknüpfungsprozesse ergeben. Die Kleidung ist – natürlich – ausgesprochen schön. Es wäre allerdings vonnöten gewesen, dass der Film irgendeine Beziehung zu ihr entwickelt. Wir sehen nicht, wie sie entworfen wird. Wir spüren nichts von dem Reiz, mit ihr Geschäfte zu machen. Wir bekommen noch nicht einmal allzu eindrücklich erzählt, wie es sich anfühlen mag, sie zu tragen. Und wer nach Humor sucht, findet neben ein paar hübschen Onelinern nur die nahezu unerträgliche Clownsnummer von Jared Leto, der Paolo Gucci, den talent- und erfolglosen Cousin von Maurizio, verkörpert.

Mit seiner Kasperei blamiert sich Leto ebenso wie die Altstars Al Pacino und Jeremy Irons in den Parts der gescheiterten Patriarchen Aldo und Rodolfo Gucci sowie Salma Hayek als TV-Medium (und Mittäterin) Pina Auriemma: unsympathische Karikaturen, die das Drehbuch von Becky Johnston und Roberto Bentivegna aufs Tiefste zu verachten scheint, weshalb es auch uns schwerfällt, irgendwie Anteil an ihrem Schicksal zu nehmen. Wenn über Markenschutz, Geschäftsanteile und Steuerbetrug gestritten wird und sich daraus Intrigen entspinnen, wirkt das wie eine seichte Version von Der Pate (1972) – ohne das Wuchtige und Epische. Wer das echte Leben als Grundlage für eine Leinwand-Soap wählt, kann am Ende, wie in diesem Fall, einen extrem unbefriedigenden Film vorliegen haben. Tja.

Dass House of Gucci kein Rundum-Ärgernis ist, liegt eigentlich nur an einer einzigen Person: Adam Driver. Auch er kann nicht verhindern, dass das Skript keine nachvollziehbaren Motivationen liefert und dass Figuren von einer Sequenz zur nächsten charakterliche Veränderungen durchmachen, die wir einfach akzeptieren müssen. Aber als Einzigem gelingt es ihm, das schwache Skript, die ambitionslose Regie und das nervige Overacting seiner Co-Stars zu untergraben und seiner Figur Maurizio etwa durch ein unerwartetes Lächeln oder eine ungewöhnliche Bewegung etwas Menschliches zu geben. Ein Sympathieträger ist Maurizio ebenfalls nicht – aber das muss er auch gar nicht sein. Es soll sich doch nur bitte irgendwie nach etwas Lebendigem anfühlen, was wir da sehen. Wenn Drivers Mundwinkel, Arme und Beine mehr zu erzählen vermögen als zweieinhalb Stunden voller Mode, Männerbund, Liebe, Eifersucht, Gewalt und Mord, hat ein Film schon wirklich auf sehr vielen Ebenen gründlich versagt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/house-of-gucci-2021