Hope for All

Verzicht auf Fleisch! Widerstand zwecklos

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Die Botschaft dieses Dokumentarfilms lautet, dass Fleischkonsum pfui ist, und zwar in dreifacher Hinsicht. Wer Fleisch isst, lebt ungesund, schädigt den Planeten und verursacht unsägliches Leid in der Massentierhaltung und im Schlachtbetrieb. So argumentiert auch die streitbare Tierrechtsorganisation PETA, die zu den Unterstützern dieses Langfilmdebüts der Österreicherin Nina Messinger gehört. Die Autorin des Buchs Du sollst nicht töten! Plädoyer für eine gewaltfreie Ernährung aus dem Jahr 2011 ist nicht in der Filmbranche beheimatet. Sie bezeichnet sich als "Referentin und Trainerin im Gesundheitsbereich mit den Schwerpunkten Ernährung, Bewegung und Mentaltraining" und gründete für dieses Filmprojekt eine eigene Produktionsfirma.
Hope for All. Unsere Nahrung – Unsere Hoffnung ist ein Propagandafilm, der Information gezielt für seine Zwecke einsetzt und mit Suggestion arbeitet. Das wird besonders beim letzten Thema Tierschutz deutlich, wenn Messinger auf repetitive Indoktrination setzt und schockierenden Bildern aus Stall und Schlachthof friedliche Aufnahmen von Haustieren auf der Wiese entgegensetzt, die von Menschen gestreichelt werden. Die gute Absicht steht außer Frage und der Film wartet auch mit vielen interessanten Fakten auf, die ihn durchaus sehenswert machen. Aber es ist trotzdem ärgerlich, im letzten Teil fast schon wie ein Pawlowscher Hund mit Reizen und Suggestionen traktiert zu werden, damit sich die Werbebotschaft auch ja nachhaltig im Kopf festsetzt.

Doch zunächst zu den positiveren Aspekten des Films. Messinger widmet das erste Kapitel dem Zusammenhang zwischen Zivilisationskrankheiten und Ernährung. Nicht nur der Konsum von Fleisch ist dieser Argumentation zufolge von Übel, sondern auch der von sonstigem tierischen Fett und Eiweiß. Es wird sogar behauptet, dass eine vegane, also rein pflanzliche Ernährung auch bereits schwerkranke Menschen wieder fit machen kann. Zu den wichtigsten Experten, die zu Wort kommen, zählt der betagte amerikanische Forscher Caldwell B. Esselstyn, der auch Bill Clinton in Ernährungsfragen beriet. Ein paar ehemalige Patienten berichten, wie sie seinen Ratschlägen folgten, auf vegane Ernährung umstiegen und von Diabetes, Herz- und sogar Krebsleiden geheilt wurden. Das klingt hochinteressant, geradezu sensationell und dürfte vielen Schwerkranken Hoffnung machen. Allerdings fehlen, um diese Fundstücke besser einordnen zu können, relativierende oder konträre Stimmen, die es in Medizin und Forschung sicherlich auch gibt.

Generell geht der Film mit seinen Behauptungen sehr selektiv um, ohne dass es im Hinblick auf seine Ziele wirklich nötig wäre. Denn vieles, was gesagt wird, genießt in einer Gesellschaft, die sich in Konsumfragen gerade einem radikalen Umdenken unterzieht, schon breite Zustimmung. Aber wenn es beispielsweise heißt, dass pflanzliche Nahrung dem Menschen alles bietet, was er braucht, wird der Hinweis auf das fehlende Vitamin B12 der Einfachheit halber weggelassen.

Im Kapitel über Futtermittelanbau und Umweltbelastung durch Massentierhaltung klingt hingegen alles plausibel – und weitgehend bekannt. So erläutert zum Beispiel die indische Umweltaktivistin Vandana Shiva, ohne die kein Öko-Film mehr auszukommen scheint, ihre Argumente auch hier. Das Problem des starken Einsatzes von Antibiotika in der Massentierhaltung wird ebenfalls nicht zum ersten Mal erwähnt, aber es besteht ja auch weiterhin.

Im dritten Teil wird das Leid der Hühner, Schweine und Rinder, die auf engem Raum in Ställen eingesperrt sind, eindringlich und wiederholt geschildert – im Wechsel zu besagten Aufnahmen von Streicheleinheiten in lieblicher Umgebung und zu ebensolcher Klaviermusik. Der Film ist nicht etwa zu lang, weil er das Timing nicht beherrscht, sondern weil die Repetition von Gut und Böse zum Programm gehört. Und die Bilder wirken, gegen das Gefühl ist der Verstand, der sich eine kühlere, komplexere Argumentation wünscht, letztlich machtlos. Schon allein, um ein solches visuelles Umerziehungsprojekt nicht noch einmal über sich ergehen lassen zu müssen, ist man geneigt, jeglichen Widerstand gegen seine Botschaft aufzugeben.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/hope-for-all