Die wundersame Welt des Louis Wain (2021)

Beginn der Katzennarretei

Eine Filmkritik von Melanie Hoffmann

Katzenbilder, Katzenporzellan, Katzenvideos, Katzenkitsch. Noch gar nicht so lange werden Katzen als die goldigen Samtpfoten vergöttert. In bäuerlichen Gegenden war es eine Notwendigkeit, sich eine Katze zu halten, um den Mäusen Einhalt zu gebieten. Doch Zeichner Louis Wain erkannte, dass sie drollig, niedlich und zutiefst verspielt sind - und brachte uns diese Sichtweise näher.

London im Jahr 1880: Der 20-jährige Künstler Louis Wain (Benedict Cumberbatch) muss den Lebensunterhalt für sich und seine jüngeren Schwestern bestreiten. Sein Vater ist gestorben, die Mutter arbeitet selbstverständlich nicht, und die allesamt jüngeren Schwestern sind noch nicht verheiratet. Am einfachsten verdingt sich der Schnellzeichner mit dem Malen von Bildern und Karikaturen für die Zeitung. Doch so richtig glücklich macht ihn das Beobachten und Illustrieren politischer Situationen nicht. Katzen zu beobachten und zu zeichnen, das allerdings wird seine große Passion. Mit seinen Darstellungen von neugierigen und drolligen Katzen verändert er unsere Wahrnehmung der Samtpfoten und erhebt sie in den Stand von beliebten Haustieren. Dabei war über Jahrhunderte die Katze als das Tier des Teufels bekannt.

Doch nicht nur im Hinblick auf Katzen bricht er mit gesellschaftlichen Traditionen. Auch in der Liebe geht er außergewöhnliche Wege für das ausklingende Viktorianische Zeitalter: Die erst jüngst eingestellte Gouvernante seiner Schwestern wird seine Frau. Zum einen heiratet er damit weit unter seinem Stand, und dann ist Emily (Claire Foy) auch noch zehn Jahre älter als er. Beides trug gleichermaßen zur Empörung in London bei, und das innig verliebte Paar suchte sich ein Haus in der ruhigen Vorstadt Hampstead.

Benedict Cumberbatch hat offensichtliche Spielfreude, und das macht den Film zu einem wunderbaren Genuss. Die lebhafte Art des Malers in den jungen Jahres, die innige Liebe zu seiner Frau und die Lethargie gepaart mit anhaltendem Schaffensdrang im Alter – all das vermag Cumberbatch sehr gut zu verkörpern. Als Louis Wain im Alter nur noch katzenäugige Mandalas malt, scheint er selbst vom Wahnsinn gezeichnet, und doch erkennt man im Kern immer noch den Louis Wain von 1885. 

Der Originaltitel spielt auf Wains zweite Leidenschaft an: The Electrical Life of Louis Wain. Elektrizität hat den jungen Mann fasziniert wie sonst kaum etwas. Erfindungen spukten durch seine Gedanken, die Elektrizität wollte er einfangen. Vielleicht war es auch die Kompensation der nie überwundenen Trauer um die viel zu früh verstorbene Emily, die ihn so sprunghaft werden ließ. In dieser Phase von Wains Leben gelingt es Regisseur Will Sharpe gut, einen modernen Blick auf das Viktorianische England zu werfen. 

So wie die Gemälde von Louis Wain immer surrealer werden, so wird auch der Film zunehmend phantasievoll und konterkariert damit den Verfall von Louis Wains Geist. Claire Foy steht Cumberbatch kongenial zur Seite. Selbst wenn der Film ab und zu etwas zu eigenwillig, mal etwas zu gefühlsselig, mal etwas zu sprunghaft daherkommt, fangen die beiden die Stimmung gut wieder ein.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/die-wundersame-welt-des-louis-wain-2021