Frühstück bei Monsieur Henri

Ein unmoralisches Angebot

Eine Filmkritik von Falk Straub

Eine stürmische Studentin zieht bei einem greisen Griesgram ein – keine schlechte Ausgangslage für eine Komödie. Regisseur und Drehbuchautor Ivan Calbérac lässt in Frühstück bei Monsieur Henri Altstar Claude Brasseur auf Neuling Noémi Schmidt los.
Komödien beruhen auf Gegensätzen. Und gegensätzlicher als Henri Voizot (Claude Brasseur) und Constance Piponnier (Noémie Schmidt) könnten zwei Charaktere kaum sein. Er ist ein mürrischer Rentner, sie eine freundliche Studentin. Er steht auf Ordnung und Regeln, sie verwechselt noch in der fünften Fahrprüfung rechts mit links und auf dem Wochenmarkt Karotten mit Zucchini. Und während Monsieur Henri als ehemaliger Steuerberater sein Geld zusammenhält, ist Constance chronisch pleite. Ginge es nach ihm, hätten die beiden nichts miteinander zu tun. Doch Henris Sohn Paul (Guillaume de Tonquedec) hat beschlossen, dass sein alleinstehender Vater eine Mitbewohnerin für seine viel zu große Pariser Altbauwohnung braucht.

Ivan Calbérac hat diese Figuren für ein Theaterstück erdacht, das er nun selbst auf die Leinwand bringt. Im französischen Original heißt seine Geschichte schlicht L'étudiante et Monsieur Henri, was den Inhalt insofern trifft, als Constance nicht nur Studentin ist, sondern im Verlauf des Films auch bei Henri fürs Leben lernt. Die erste Mahlzeit des Tages spielt jedenfalls in dem Film keine tragende Rolle. Zu einem Mittagessen mit Sohn Paul und der ungeliebten Schwiegertochter Valérie (Frédérique Bel) erscheint Henri aber schon einmal leichtbekleidet. Was Paul für einen Affront gegenüber seiner strenggläubigen Frau hält, kontert sein Vater süffisant: "Der Herrgott hat bestimmt nichts gegen Morgenmäntel. Sonst stünde es ja in der Bibel." Einer von vielen schlagfertigen Kommentaren, die stets zwischen geistreich und gehässig schwanken.

Calbérac belässt es freilich nicht beim Zusammenprall der Generationen. Wie bei (guten) Komödien üblich, spitzt sich die Lage zu. Der alte Misanthrop schlägt Kapital aus der erzwungenen Zweckgemeinschaft mit seiner jungen Mitbewohnerin. Wenn Constance ihn schon nicht monetär unterstützen kann, so soll sie Henri wenigstens im zwischenmenschlichen Bereich von Nutzen sein. Nein, nicht, was Sie jetzt denken! Aber beinah. Constance soll Paul solange den Kopf verdrehen, bis dessen Ehe in die Brüche geht. Dafür erlässt ihr Henri Miete und Kaution. Ein unmoralisches Angebot, aus dem der Film letztlich aber zu wenig macht.

An den Darstellern liegt es nicht. Mit ihnen liegt Ivan Calbérac goldrichtig. Schauspielveteran Claude Brasseur, der in über 100 Film- und Fernsehproduktionen mit von der Partie war, in Die Außenseiterbande (1964) ebenso wie in La Boum – Die Fete (1980), harmoniert perfekt mit Newcomerin Noémi Schmidt in ihrer ersten großen Kinorolle. Der Altmeister bedarf nur weniger Gesten, um das Publikum zum Lachen zu bringen. Guillaume de Tonquedec als verklemmter Sohn im zweiten Frühling und Frédérique Bel als gutherzige, aber etwas minderbemittelte Schwiegertochter runden das Ensemble wunderbar ab. Doch Calbérac kann das hohe Anfangstempo dieses generationenübergreifenden Schlagabtauschs nicht halten, verschleppt es immer mehr, je länger die Komödie dauert. Und statt das subversive Potenzial des unmoralischen Angebots voll auszuschöpfen, mündet Frühstück bei Monsieur Henri dann doch in moralisch stillen Wassern.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/fruehstueck-bei-monsieur-henri