Parfum des Lebens (2019)

„Ich bin eine Nase!“

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

„Gegensätze ziehen sich an“ – diese Floskel dient vielen romantischen Komödien und Buddy-Filmen als Prämisse. Meist geht es darum, dass sich die beiden Hauptfiguren in wilden Wortgefechten Gemeinheiten an den Kopf werfen, bis diese in verliebte Blicke und Küsse oder kumpelhaftes Schulterklopfen und Lachen übergehen. Auch der französische Drehbuchautor und Regisseur Grégory Magne erzählt in „Parfum des Lebens“ von zwei sehr unterschiedlichen Menschen, zwischen denen zunächst eine gehörige Portion Disharmonie herrscht. Das Skript und die Inszenierung setzen jedoch weniger auf knallige Dialogduelle, sondern mehr auf Subtilität – und nehmen gerade durch ihre Zurückhaltung für sich ein.

Der Chauffeur Guillaume Favre (Grégory Montel) steckt gerade mitten in der Scheidung. Um das gemeinsame Sorgerecht für die zehnjährige Léa (Zélie Rixhon) zu bekommen, wird ihm angeraten, sich eine größere Wohnung zu suchen. Sein Chef Arsène (Gustave Kervern) droht ihm allerdings bereits mit dem Rauswurf. Zudem erweist sich sein neuer Auftrag als ziemlich schwierig: Er soll die rätselhafte Anne Walberg (Emmanuelle Devos) chauffieren, die recht seltsame Wünsche hat. Da ihr etwa der Geruch der Hotelbettwäsche nicht behagt, verlangt Anne von Guillaume, ihr beim Wechseln der Laken zu helfen. Zu Guillaumes Überraschung bucht Anne ihn kurz darauf erneut – obwohl sie diesmal gar nicht vorhat, mit dem Auto an ihr Ziel zu gelangen. Allmählich erfährt Guillaume mehr über seine Kundin: Einst eine berühmte Parfumeurin, ist Anne nach einem Vorfall als Geruchsberaterin unterwegs. Und bald merken Anne und Guillaume, wie gut sie sich gegenseitig unterstützen können.

Die Art und Weise, wie Guillaume und Anne voneinander lernen, wie sie sich mehr und mehr aufeinander einlassen und erkennen, wie gut sie als Team funktionieren, ist bemerkenswert. Hier braucht es keiner frivolen Sprüche, um spürbar zu machen, dass sich die beiden zueinander hingezogen fühlen. Und es sind auch keine Kitsch-Passagen nötig, um Romantik aufkommen zu lassen. Die Beziehung zwischen Guillaume und Anne changiert zwischen Freundschaft und aufkeimender Liebe, wie man es äußerst selten zwischen Erwachsenen im Film sieht. Es gibt keine dramatischen Gesten, keine Schwüre – nur ein sehr klares und schönes Gefühl von wachsender Sympathie. Aus völligem Unverständnis wird ein tiefes Begreifen des Gegenübers, das sich in Kleinigkeiten offenbart und auf die bekannten Standardsituationen des Kinos locker verzichten kann.

Hinzu kommen zahlreiche witzige und charmante Ideen. So wird etwa das Vater-Tochter-Verhältnis zwischen Guillaume und Léa in diversen Alltagsmomenten glaubhaft eingefangen. Guillaume ist kein cooler Dad, kein Held, kein Genie – und Léa kein Kind, das sich stets superputzig verhält. Beide haben ihre Fehler, das Leben steckt voller Tücken und das Vater-Tochter-Duo versteht es irgendwie, das Beste daraus zu machen. Hauptdarsteller Grégory Montel (Call My Agent!) verströmt dabei eine angenehme Tragikomik, die nie ins Slapstickhafte abdriftet. Und ebenso liefert Emmanuelle Devos (Violette) als Anne eine wunderbar spröde Leistung. Der Job der introvertierten Ex-Parfumeurin sorgt für hübsch-skurrile Szenen, wenn Anne und Guillaume zum Beispiel in eine Höhle hinabsteigen müssen, um herauszufinden, wie sich die Gerüche dieses Ortes für einen touristischen Nachbau imitieren lassen. „Ich bin eine Nase!“, erklärt Anne – und für die Darstellung einer höchst ausgefallenen Tätigkeit wie ihrer wurde das Kino wohl letztlich erfunden.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/parfum-des-lebens-2019