Faking Bullshit (2020)

Die etwas anderen Kopps

Eine Filmkritik von Falk Straub

Remakes fremdsprachiger Filme erfreuen sich jenseits des Großen Teichs besonderer Beliebtheit. Die Untertitel-Aversion der Amerikaner macht's möglich. Doch auch hierzulande kommt so etwas häufiger vor als gedacht. Erst im Januar überraschte Regisseur Christian Alvart mit "Freies Land", einer Neuauflage des spanischen Thrillers "La Isla minima – Mörderland". Alvarts Film hat die Ereignisse nach dem Ende des Franquismus einfach ins wiedervereinte Deutschland nach dem Ende des Sozialismus übertragen. Ganz ähnlich verfährt der Schauspieler Alexander Schubert bei seinem Regiedebüt. Es basiert auf einem schwedischen Original, ist ebenfalls im Polizeimilieu in der Provinz angesiedelt, allerdings kein Krimi, sondern eine Komödie.

Im westfälischen Münsterland ist die Welt noch in Ordnung. Die Kriminalität ist gering, die Polizei hat nichts zu tun. Von ihrem Chef Reiner (Alexander von Glenck) unbehelligt schieben Deniz (Erkan Acar), Netti (Sanne Schnapp), Hagen (Alexander Hörbe) und Rocky (Adrian Topol) auf Wache 23 eine ruhige Kugel. Dann taucht Kollegin Tina (Sina Tkotsch) auf. Sie soll die Dienststelle auf ihre Effektivität und Rentabilität hin überprüfen. Um die drohende Schließung abzuwenden, übertritt erst Deniz, dann die ganze Truppe das Gesetz.

Wie durch Zauberhand steigen die Straftaten an, allesamt freilich durch Polizistenhand begangen. Das kommt der klugen Tina bald spanisch und dem Publikum irgendwie schwedisch vor. Josef Fares' Kopps (2003) stand Pate. Die skandinavische Krimikomödie, in der Josef Fares' älterer und inzwischen bis ins Sternenkrieger-Universum aufgestiegene Bruder Fares Fares die Hauptrolle spielt, war bereits deutlich klamaukiger als noch sein Regiedebüt Jalla! Jalla! (2000). Auf vergleichbaren Schenkelklopfer-Humor setzt nun auch die deutsche Variante.

Schubert hat eine astreine Typenkomödie gedreht. Erkan Acar gibt den gutmütigen Einfaltspinsel, Adrian Topol den harten Hund mit weichem Kern, der sich in Actionszenen imaginiert. Alexander Hörbes Hagen ist ein nörgelnder Brummbär, seine von Sanne Schnapp gespielte Frau Netti die Stimme der Vernunft. Und mit Polizeichef Reiner und Kontrolleurin Tina treffen zwei Generationen und Welten aufeinander. Hier das sexistische Urgestein, das sich gedanklich nicht mehr vom Fleck bewegt, dort die feministische Karrierefrau, deren Weg nach oben zeigt.

Ergänzt wird das bunt durchmischte Ensemble durch zahlreiche Gastauftritte unter anderem von Bjarne Mädel, der in seiner unnachahmlich schnodderigen Art einen Obdachlosen mit regem Oberstübchen spielt, und von Mišel Matičević, der einen wutschnaubenden SEK-Einsatzleiter hinlegt. Alles in allem ein deftiger Mix, den Schubert in seiner Funktion als Drehbuchautor mit einer Prise deutscher Befindlichkeiten, Migrationsvordergrund, Feminismus und Kunstfreiheitsdebatte würzt.

Hinter alledem steckt die Produktionsfirma Mavie Films, in deren Geschäftsführung auch Hauptdarsteller Erkan Acar sitzt. Dem Kino hat sie bislang so schräge Genre-Versuchsballons wie Schneeflöckchen (2017) und Ronny & Klaid (2018) beschert. Das actiongeladene Mittelalterabenteuer The Witch and the Ottoman, zu dem Schubert und Acar gemeinsam mit Regisseur Sebastian Mattukat das Drehbuch geschrieben haben, befindet sich in der Postproduktion.

Heimlich, still und leise ist Mavie Films damit gerade auf bestem Wege zur aufregenden Genreschmiede. Eine familiäre Truppe, die sich formal und inhaltlich keine Grenzen setzt. Schubert spielte schon in Schneeflöckchen mit. Acar, Schubert und Sina Tkotsch werden auch in The Witch and the Ottoman zu sehen sein. Und mit Adrian Topol, Xenia Assenza und Reza Brojerdi sind auch in Faking Bullshit wieder einige vertraute Gesichter aus der Mavie-Familie dabei.

Das Ergebnis ihrer jüngsten Unternehmung ist das bis dato massentauglichste: nicht so meta und narrativ verschlungen wie Schneeflöckchen, nicht so brachial kalauernd wie Ronny & Klaid. Gute Komödienkost mit sympathischen Figuren, drei parallel erzählten, charmanten Liebesgeschichten und einem unverkrampften Umgang mit politisch heißen Eisen. Dabei aber auch deutlich vorhersehbarer und leichter zu verdauen als die oben genannten Vorgänger. Dem geneigten Publikum wird's munden.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/faking-bullshit-2020