Away (TV-Serie, 2020)

Dem Mars entgegen, der Erde zugewandt

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Abschied von der Erde: Die Zukunft der Menschheit lautet der deutsche Titel eines von Michio Kaku verfassten Buches von 2018, in dem der Physiker unter anderem beschreibt, dass um das Jahr 2050 herum ein ständiger Außenposten auf dem Mars errichtet werden könnte. Schon seit geraumer Zeit gibt es Bestrebungen, ein mit Menschen besetztes Raumschiff auf den Roten Planeten zu entsenden. Staatliche Behörden wie die NASA, aber auch private Unternehmen wie SpaceX arbeiten fieberhaft daran, diesen nächsten Schritt in der Raumfahrtgeschichte zu verwirklichen. Derzeit sieht es allerdings so aus, als würde in den nächsten Jahren nichts Entscheidendes passieren.

Wer dennoch große Lust auf eine Marsunternehmung verspürt, den will Streaming-Riese Netflix schon jetzt mit einer neuen, von einem Esquire-Artikel inspirierten Science-Fiction-Serie unterhalten, in der die zweifache Oscar-Preisträgerin Hilary Swank (ausgezeichnet für ihre Auftritte in Boys Don’t Cry und Million Dollar Baby) als Kommandantin Emma Green eine möglicherweise bahnbrechende Mission anführt. Gemeinsam mit der NASA-Astronautin begeben sich die Chinesin Lu (Vivian Wu), der Russe Misha (Mark Ivanir), der Inder Ram (Ray Panthaki) und der in Ghana geborene, aber in Großbritannien aufgewachsene Kwesi (in den ersten Folgen als naive Fragen stellender Weltraumgrünschnabel inszeniert: Ato Essandoh) auf die Reise zum Roten Planeten, den noch nie ein Mensch betreten hat.

Gebannt, aber auch besorgt verfolgen Emmas Ehemann Matt (Josh Charles), der ebenfalls für die NASA arbeitet, wegen einer seltenen Erkrankung aber nur Aufgaben am Boden übernehmen kann, und ihre Tochter Alexis (Talitha Bateman) das Anlaufen des internationalen Prestigeprojektes. Unglücklicherweise erleidet Matt genau während der Startphase einen Schlaganfall, was seine Frau umgehend ins Grübeln bringt: Muss sie nicht sofort für ihre Familie da sein und ihre beruflichen Ambitionen begraben? Serienschöpfer Andrew Hinderaker gibt mit diesem schrecklichen Zwischenfall gleich die Stoßrichtung vor. Away handelt zwar vom Aufbruch zum Mars und stellt eine Astronautentruppe ins Zentrum der Erzählung, malt jedoch immer wieder Konflikte und Schicksalsschläge aus, die mit den auf der Erde zurückgelassenen Menschen zusammenhängen.

Über Emmas eigene Erfahrungen, aber auch am Beispiel einiger anderer Crewmitglieder, deren Backstorys in einzelnen Episoden angerissen werden, illustriert die zehnteilige Netflix-Produktion, welche Last in der lange andauernden Isolation auf den Schultern von Astronauten liegt und wie schwer ein normales Familienleben aufrechtzuerhalten ist. Die anfangs noch arg stereotyp wirkenden Mitstreiter Emmas bekommen mit der Zeit etwas mehr Entfaltungsraum. Nicht wenige Geschichten und Entwicklungen greifen allerdings unverblümt ins Melodramatische und Kitschige aus. Mindestens eines der nicht gerade wenigen Liebesgeständnisse ist gänzlich überflüssig.

Vor allem im Falle der Protagonistin, die mehrfach als Beste ihres Fachs geadelt wird, nehmen die familiären Sorgen und Zweifel einen Großteil der Handlungszeit ein. Während andere Besatzungsangehörige über Lösungsstrategien zur Bewältigung von Problemen nachdenken, ist Emma oft mit sich selbst und den Daheimgebliebenen beschäftigt. Momente, in denen es um berufliche Entscheidungen, die Mission an sich und die damit verknüpften Erwartungen geht, sind rar gesät. Ausgerechnet die Kommandantin, die an Bord mehrfach imaginäre, moralisch aufbauende Gespräche mit ihrem Gatten führt, wirkt unter dem Strich seltsam blass. Was umso bedauerlicher ist, wenn man bedenkt, dass es nicht allzu viele Science-Fiction-Werke gibt, in denen eine Frau die Führungsrolle innehat.

Da zahlreiche emotionale Bausteine direkt aus dem Drehbuchsetzkasten stammen, muss es nicht verwundern, dass in erster Linie solche Szenen fesseln, die die kalkulierte Rührseligkeit beiseiteschieben und konkret technische Schwierigkeiten und die Gefahren einer Reise zum Mars greifbar machen. Emmas und Mishas erster Weltraumspaziergang etwa sieht nicht nur majestätisch aus, sondern sorgt auch dafür, dass man den Atem anhält. Anders als das 2019 veröffentlichte Space-Drama Ad Astra – Zu den Sternen ist Away jedoch kein Werk, das mit immer neuen, staunenswerten Bildern aus den Weiten des Weltraums überwältigt. Das Meiste spielt sich an Bord des ansprechend ausgestatteten Raumschiffes und auf der Erde ab. Selten schweift der Blick in die grenzenlose Schwerelosigkeit.

Erfreulich ist in einer aufgeheizten, von Polarisierungen bestimmten Zeit wie dieser, dass die Serie nach einer anfangs etwas zu forciert anmutenden feindlichen Stimmung unter den Teilnehmern mit zunehmender Dauer den Wert des Miteinanders beschwört. Menschen aus unterschiedlichen Ländern und kontroverse Meinungen prallen hier auf engstem Raum aufeinander. Langsam schält sich allerdings so etwas wie ein gemeinschaftlicher Geist heraus, den der oft zynische und aufbrausende Misha in der Abschlussfolge überdeutlich ausformuliert. Den Wert von Zusammenarbeit hervorzuheben, ist absolut sympathisch. Away hätte diese Botschaft aber noch so viel eindringlicher transportieren können, wenn die Macher auf einige melodramatische Ausschmückungen verzichtet hätten.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/away-tv-serie-2020