Astronaut (2019)

Ein Mann, der in den Himmel starrt

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Als amerikanischer Mittelstandsbürger Roy Neary gerät US-Schauspieler Richard Dreyfuss in Steven Spielbergs Science-Fiction-Klassiker "Unheimliche Begegnung der dritten Art" aus dem Jahr 1977 in den Bann extraterrestrischer Mächte. An eben diese einprägsame Rolle muss man mehrfach denken, wenn man "Astronaut", das Regiedebüt der Darstellerin Shelagh McLeod, begutachtet. Hollywood-Veteran Dreyfuss, der für seine Performance in "Der Untermieter" 1978 mit einem Oscar ausgezeichnet wurde, ist hier als gebrechlicher Witwer zu sehen, der auf seine alten Tage unbedingt in den Weltraum fliegen möchte.

Nach dem Tod seiner demenzkranken Frau, die ihm einen Haufen Schulden hinterlassen hat, scheint es für den pensionierten Straßenbauingenieur Angus Stewart (Dreyfuss) nur noch bergab zu gehen. Seinen Führerschein ist er los. Seine Gesundheit spielt ihm immer öfters einen Streich. Und seine Tochter Molly (Krista Bridges) trägt sich, angetrieben von ihrem wenig verständnisvollen Ehemann Jim (Lyriq Bent), mit dem Gedanken, ihren Vater in ein Heim zu stecken. Etwas Freude hat der Rentner fast nur noch dann, wenn er den Blick durch sein Teleskop zu den Sternen schweifen lässt und sich dabei mit seinem Enkel Barney (Richie Lawrence) austauschen kann.

Als er nur wenig später in einer Pflegeeinrichtung landet, hat Angus seine vermeintlich letzte Station erreicht. Genervt von seinem neuen Alltag, ringt er sich auf Drängen Barneys jedoch zu einer verrückten Aktion durch. Kurzerhand nimmt der einst von einer Astronautenkarriere träumende Pensionär an der Lotterie des Milliardärs Marcus Brown (Colm Feore) teil, bei der dem Gewinner ein Platz auf einem zivilen Weltraumflug winkt. Seinen gesundheitlichen Zustand verschleiernd schafft es Angus tatsächlich in die Vorauswahl. Irgendwann erkennt er allerdings einen schwerwiegenden Fehler in Browns Planungen.

Große Lebensträume sind an kein Verfallsdatum gebunden. Und alte Menschen haben es nicht verdient, einfach abgeschoben zu werden. Die als Schauspielerin bekannt gewordene Shelagh McLeod vermittelt in ihrem Debütwerk sympathisch-erbauliche Botschaften und fordert Respekt für eine Gruppe ein, die im Kino manchmal zu wenig Aufmerksamkeit bekommt. Mit Richard Dreyfuss hat die Regisseurin einen versierten Charakterkopf bei der Hand, schafft es aber leider nicht, ihm ausreichend Gelegenheit zum Glänzen zu geben. Sein Charisma und seine Präsenz blitzen zwar immer mal wieder auf. Die Figur des ehemaligen Ingenieurs ist allerdings nicht plastisch genug gezeichnet, um brennendes Interesse zu entfachen. Angus‘ Faszination für das Weltall kommt im Dialog wiederholt zur Sprache, wird für das Publikum jedoch zu selten in ihrer ganzen Ausprägung greifbar.

Fragen des Menschseins und unserer Rolle im Universum, die der Stoff zweifellos hergeben würde, lässt die auch für das Drehbuch verantwortliche McLeod zumeist links liegen und verpasst es dadurch, ihre "Folge deinem Traum"-Geschichte um eine philosophische Note zu erweitern. Ins Straucheln gerät der Film bereits im Mittelteil, wo vorher angedeutete Konflikte plötzlich im Sande verlaufen und das Geschehen ohne nennenswerte erzählerische Geistesblitze vor sich hinplätschert. Um das vorhersehbare Ende einfädeln zu können, reihen sich einige nicht sehr glaubhafte Wendungen aneinander. Und mehr als einmal fragt man sich, warum es Angus mit seiner Bewerbung in der Lotterie überhaupt so weit geschafft hat. 

Astronaut hätte ein kleiner, feiner Film über das Altern und die Wünsche im letzten Lebensabschnitt werden können, entpuppt sich aber als überraschungsarmes, seine relevanten Themen mit dem Holzhammer bearbeitendes Melodrama. Schade um die schönen Grundideen, bleibt einem da nur noch zu sagen.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/astronaut-2019