La La Land (2016)

Und steppen können sie auch noch!

Eine Filmkritik von Maria Wiesner

Ein Musical als Eröffnungsfilm des altehrwürdigen Filmfestivals in Venedig? In den Branchenblättern war man skeptisch und stimmte die alte "Alles-viel-zu-unpolitisch"-Leier an. Dabei ist Damien Chazelles La La Land eine sehr mutige Entscheidung. Wie oft ertappt man sich selbst dabei, während eines Films mit Ginger Rogers und Fred Astair sehnsüchtig zu seufzen: "Ach, das macht heute auch niemand mehr." Wer könnte es auch? Und wen würde man besetzen?

Chazelle kann es – und er traf mit Emma Stone und Ryan Gosling eine perfekte Entscheidung bei der Besetzung. Sie spielen Mia und Sebastian, beide Mitte Zwanzig, in L.A. gestrandet und auf der Suche nach dem großen Durchbruch. Mia schenkt Kaffee aus und will eigentlich Schauspielerin werden. Sebastian spielt die Hintergrundmusik in Restaurants und will eigentlich seinen eigenen Jazz-Club eröffnen.

Noch bevor sie nun überhaupt in Erscheinung treten, zeigt Chazelle in seiner Eröffnungssequenz, dass er sein Handwerk beherrscht wie kaum ein anderer: Es ist Winter in L.A., die Sonne brennt vom Himmel, die Autos stehen im Stau. Kompletter Stillstand, nur die Kamera bewegt sich von einem Wagen zum anderen. Auf der Tonspur wechseln die Musikprogramme der Fahrer durch. Eine junge Frau singt mit, steigt dann aus dem Wagen und beginnt zu tanzen – und alle fallen mit ein. Mit einer Choreographie, die in Perfektion broadwayreif ist und mit einer Farbenpracht, wie man sie sonst nur Bollywood-Filmen findet. Musical, wie es klassischer nicht sein könnte. Und das fast ganz ohne einen einzigen Schnitt. Doch ist dieser Prolog nur eine Fingerübung. Denn in den nächsten fünf Akten variieren Tempo und Tonlage. In schönen Spannungsbögen wechseln Handlung und Musik zwischen euphorisch zu schwermütig, um ein Ende zu nehmen, das überrascht.

Chazelle kennt die Klassiker, tappt aber nicht in die Falle, sie einfach nur plump zu kopieren. Die Fingerübung im Prolog genügt ihm – gut, ab und zu zitiert er mit einem Augenzwinkern auch Fred Astaire, Frank Sinatra und Ginger Rogers. Wenn Ryan Gosling sich auf einem Hollywood-Hügel plötzlich träumerisch um eine Laterne dreht. Wenn sie Und sie wissen nicht was sie tun in einem alten Kino gucken und das Zelluloid in Flammen aufgeht. Oder wenn Stone und Gosling im letzten Akt in einer Revuenummer über Wasser tanzen. Diese Gesten verweben sich jedoch ganz unsentimental in eine Handlung, die im Hier und Jetzt spielt – da wird die romantische Tanzszene, die früher mit einem Kuss der beiden Protagonisten geendet hätte, schon mal vom Klingeln des iPhones unterbrochen.

Und nicht nur die Handlung hat Chazelle in die Gegenwart geholt. Seine ganze Geschichte ist so modern wie zeitlos. Mia und Sebastian verfolgen ihre Träume und müssen irgendwann die Entscheidung treffen, was ihnen wirklich wichtig im Leben ist. Wie viel opfert man für seine Träume? Verkauft man sich ein bisschen – und kann man sich überhaupt "nur ein bisschen" verkaufen? Lässt man die Liebe für die Karriere gehen? La La Land ist ein Film über das Erwachsenwerden und eine große Liebesgeschichte. Chazelle ist nach seinem gefeierten Debüt Whiplash nun die Wiedergeburt des Musikfilms gelungen, die selbst Musical-Skeptiker überzeugen kann.
 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/la-la-land-2016