Sunburned (2020)

Zwischen Welten

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ganz im Süden von Spanien, die Küste Marokkos kann man an guten Tagen mit bloßem Auge sehen, verbringt die 13-jährige Claire (Tita Geier) gemeinsam mit ihrer älteren Schwester Zoe (Nicolais Borger) und ihrer Mutter Sophie (Sabine Timoteo) den Sommerurlaub in einem clubähnlichen Ressort mit Animation und allem Komfort. Der Vater der beiden Kinder und Sophies Ehemann glänzt durch Abwesenheit und meldet sich auch telefonisch nicht, um sich nach dem Befinden der Töchter und seiner Frau zu erkundigen - und letztere ist so offensichtlich an Flirts mit anderen Männern interessiert, dass bald klar ist, dass mit dieser Familie etwas nicht stimmt und sie sich womöglich am Rande einer Trennung bewegt.

Während die Mutter mit einem Animateur anbandelt und Zoe ebenfalls einen Urlaubsflirt findet, fühlt sich Claire bald schon völlig überflüssig und zieht überwiegend alleine los. Bei einem ihrer Strandspaziergänge lernt sie den aus dem Senegal geflohenen Strandverkäufer Amram (Gedion Odour Wekesa) kennen, der sich mit dem Verkauf von billigem Modeschmuck und Krimskrams gerade so über Wasser hält und der sich nichts sehnlicher wünscht, als wieder bei seinem Vater zu sein. Und zugleich spürt Amram genau, dass das nicht geht und dass er vielmehr für seinen Vater eine einzige Enttäuschung ist, da es ihm nicht gelingt, so viel Geld zu verdienen, dass er diesen im Senegal unterstützten kann. Ganz abgesehen davon, dass ihm das Geld für die Rückreise sowieso fehlt. Nur in seinen Träumen gelingt eine familiäre Wiedervereinigung.

Und so eint Claire und Amram von Anfang an die Gemeinsamkeit, dass beide einen abwesenden Vater haben und unter dieser Leerstelle in ihrem Leben enorm leiden. Es beginnt eine merkwürdige Beziehung zwischen den beiden, die halb Freundschaft, dann wieder Notgemeinschaft ist, ein wenig kindliche Schwärmerei vielleicht auch und Mitleid: Und so geht es schnell und immer wieder neben Gefühlen verschiedenster Art vor allem ums Geld, das Amram so dringend benötigt. Wenn er Claire eine Hölle zeigt, so ist das direkt mit einer Geldforderung verbunden. Und Claire, die helfen will, rächt sich an ihrer Mutter, von der sie sich schlecht behandelt fühlt, indem sie Amram deren Kreditkarte und Ehering gibt - nur kann der mit beidem nicht viel anfangen. Im Gegenteil: Durch die Weitergabe bringt sie Amram vielmehr in großer Schwierigkeiten, die seine sowieso schon prekäre Lage noch weiter verschärfen.

Nach ihrem letzten Film, der in Ostdeutschland angesiedelten Zombie-Apokalypse Endzeit (2018), betritt Carolina Hellsgård mit Sunburned abermals neues Terrain und meistert diesen Wechsel souverän und mit viel Sinn für Zwischentöne und feine Abstufungen. Geschickt verknüpft der Film die Zeit des Heranwachsens und des Sich-unverstanden-Fühlens mit der harschen Lebensrealität Geflüchteter und ähnelt zumindest darin Sebastian Schippers Roads (2018).

Dabei geht es auch stets um Machtverhältnisse, die sich hier vor allem über Geld ausdrücken. Das, was sich langsam zwischen Claire und Amram entwickelt und das der Film sehr schön im Ungefähren, nicht genauer Benannten belässt, ist dermaßen von ökonomischen Zwängen und der schonungslosen Allgegenwart des Kapitalismus infiziert, dass stets Zweifel bleiben, ob es Emotionen und Bindungen verschiedenster Art wirklich gibt oder ob nicht am Ende doch alles auf Tausch- und Abhängigkeitsverhältnisse hinausläuft.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/sunburned-2020