Master Cheng in Pohjanjoki (2019)

Köstlichkeiten aus Finnland

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Ein Mann und ein Kind kommen mit dem Bus in dem finnischen Ort Pohjanjoki an. Sie steigen aus, schauen sich um, gehen in ein Restaurant, das ein Wurst-Büffet ankündigt. Dort fragt der Mann nach einem „Mister Fongsong“ – aber niemand weiß, von wem er redet. Der Mann ist Cheng (Pak Hon Chu), er ist aus Shanghai nach Pohjanjoki gekommen, um seinen Freund Fongsong zu finden. Also wartet er in dem Restaurant, fragt jeden der Gäste nach Fongsong, aber niemand weiß ihm zu helfen. Die resolute Besitzerin Sirkka (Anna-Maija Tuokko) bietet ihm schließlich ein Zimmer zum Übernachten an. Ein Hotel gibt es in Pohjanjoki nicht. Und so bleiben Cheng und sein Sohn Nunjo (Lucas Hsuan) zunächst über Nacht und dann noch länger...

Cheng und Sirkka sind zwei verletzte Menschen, die nun aufeinandertreffen – und es wird erst nach und nach deutlich, weshalb sie dort gelandet sind, wo sie nun sind. Dazwischen liegt viel Essen, wundervoll fotografiert von Jari Mutikainen. Cheng ist Koch und Essen, so seine Philosophie, kann so manches heilen. Und schon bald hat er die Dorfbewohner nicht nur von so manchen Erkrankungen geheilt, sondern auch von seinem Essen überzeugt.

Natürlich gibt es in diesem Film einige Culture-Clash-Momente: Mehrfach versucht Cheng finnische Worte auszusprechen, was ihm nicht gelingt. Von zwei kauzigen Männern wird er mit in die Sauna genommen, ja, sogar Tango lernt er. Master Cheng in Pohjanjoki geht es jedoch nicht um einen Witz auf seine Kosten, er ist nicht das „exotische Objekt“, vielmehr ist in allem eine vorsichtige Neugier und Annäherung zu erkennen. Es geht Mika Kaurismäki nicht um den Clash, sondern um das Verbindende der Gegensätze von Stadt und Land, China und Finnland. Wenn Cheng und sein Sohn dann mit Sirkka zum Supermarkt fahren, entdecken sie Rentiere. Sirkka hält an, Cheng und Nunja staunen – und auf Sirkkas beiläufige Bemerkung, dass Rentiere sehr lecker sind, reagieren Cheng und Nunja ebenso erstaunt- entsetzt wie europäische Touristen auf manch chinesisches Essen.

Deshalb ist Cheng auch nicht der Heilsbringer aus Asien. Es ist nicht nur sein Essen oder Tai-Chi, die Heilung bringen können. Es ist auch die Natur und die Ruhe, die in Finnland zu finden ist. Es ist ein Leben mit und in der Natur, das fern von esoterischen Heilsversprechen dafür sorgt, das Cheng und sein Sohn eine Verbindung aufbauen und erkennen, wie ihr weiteres Leben aussehen kann.

Dass dieser liebenswürdige, leise Film überzeugt, liegt auch an den guten Schauspieler*innen. Insbesondere zwischen Pak Hon Chu und Anna-Maija Tuokko besteht von Anfang an eine zarte Anziehung, die zwei verletzte Menschen miteinander verbinden kann. Und dass diese Annäherung so völlig ohne Kitsch auskommt, ist zum einen Mika Kaurismäki bisweilen erdigem Humor zu verdanken. Zum anderen dominiert diese Romanze nicht den gesamten Film. Es geht vor allem um Heilung und, mehr noch, um Hoffnung.

Ein Koch aus Shanghai trifft auf eine Restaurantbesitzerin in Finnland – von vorneherein ahnt man, was passieren wird, und tatsächlich erfüllt Mika Kaurismäkis Master Cheng in Pohjanjoki diese Erwartungen voll und ganz. Aber das ist kein Nachteil dieses Films. Vielmehr erinnert er daran, dass manchmal schon eine warme Suppe und ein Blick auf einen See das Leben besser machen können – und alles, was wir brauchen, ein wenig Hoffnung ist.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/master-cheng-in-pohjanjoki-2019