Narziss und Goldmund (2020)

Stilles Leiden im lauten Spektakel

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Der deutsch-schweizerische Nobelpreisträger Hermann Hesse (1877-1962) zählt ohne Zweifel zu den Größen der Literatur; seine Werke wurden bisher indes erstaunlich selten verfilmt. So liefert der Österreicher Stefan Ruzowitzky („Die Fälscher“) mit seiner neuen Arbeit „Narziss und Goldmund“ gar die erste Leinwand-Adaption der gleichnamigen Erzählung aus dem Jahre 1930 – und legt diese als aufwendig produziertes, starbesetztes Event-Kino an, das sich bei aller Orientierung am Mainstream doch die Freiheit nimmt, den queeren Gehalt der Vorlage deutlicher zu betonen.

Im Zentrum der im Mittelalter angesiedelten Geschichte steht eine enge Freundschaft: Schon im Kindesalter lernen Narziss und Goldmund (anfangs verkörpert von Oskar von Schönfels und Jeremy Miliker) sich kennen, als Goldmund nach dem Verschwinden seiner angeblich untreuen Mutter von seinem groben Vater (Johannes Krisch) in der Klosterschule Mariabronn abgegeben wird, in welcher der Waise Goldmund als Novize lebt. Als junge Erwachsene stehen sich die beiden immer noch sehr nah, obwohl sie charakterlich äußerst unterschiedlich sind: Während sich der zurückhaltende Narziss (nun Sabin Tambrea) ganz dem Dienen Gottes verschrieben hat, zieht es den aufbrausenden Goldmund (Jannis Niewöhner) hinaus in die Welt und hinein in diverse Abenteuer. Erst Jahre später begegnen sich die Freunde wieder – und Narziss erfährt, wie es Goldmund in all der Zeit ergangen ist.

Ähnlich wie Marco Kreuzpaintners Jugendroman-Verfilmung Krabat (2008) zielt Narziss und Goldmund auf ein möglichst breites Publikum. Selbst für kleine Rollen wurden bekannte Gesichter gecastet – so bewegen sich etwa Charakterköpfe wie André Hennicke, Georg Friedrich und Sunnyi Melles sowie nationale Berühmtheiten wie Uwe Ochsenknecht und Jessica Schwarz und Jungtalente wie Emilia Schüle, Elisa Schlott und Henriette Confurius durch einzelne Passagen des Werks. Hinzu kommt eine prächtige Ausstattung: Das finstere Kloster und die idyllische umgebende Landschaft werden ebenso eindrücklich eingefangen wie die Orte, die zu den Stationen von Goldmunds wilder Reise gehören. Zuweilen gerät das alles um eine Spur zu hochglänzend; selbst eine von der Pest und ihren Folgen völlig zerstörte Stadt sieht in Ruzowitzkys Inszenierung wie eine stylishe Kulisse für ein äußerst makabres Fotoshooting aus. Einige Details ragen wiederum heraus – etwa die kreative Gestaltung des Altars, den der ausgebildete Bildhauer Goldmund im (freundschaftlich vergebenen) Auftrag von Narziss anfertigen soll. Auch die Umsetzung eines Drogentrips ist gelungen und erinnert an die Bedeutung Hesses in der Hippie-Ära.

Was Narziss und Goldmund aber letztlich von dem eher anspruchslosen Historien-Kitsch unterscheidet, der zumeist im Privatfernsehen als TV-Highlight verkauft wird, ist die sensible Zeichnung der Beziehung zwischen den titelgebenden Protagonisten. Das Skript, welches Ruzowitzky gemeinsam mit Robert Gold verfasst hat, formuliert die romantischen Gefühle, die Narziss für seinen casanovahaften Freund Goldmund empfindet, klarer aus als die 90 Jahre alte literarische Quelle – zum einen durch Narziss selbst, zum anderen durch andere Geistliche, die von der Nähe zwischen den zwei Männern irritiert sind. Dass dieser queere Aspekt so gut funktioniert, ist vor allem dem Spiel von Sabin Tambrea (Ludwig II) zu verdanken. Tambrea bedient bei der Interpretation seiner stereotyp angelegten Figur keine Klischees, sondern lässt uns sehr einfühlsam das stille Leiden und die unerschütterliche Zuneigung von Narziss spüren. Durch diesen emotionalen Kern gewinnt der Film etwas Zeitloses, Einnehmendes und angenehm Leises.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/narziss-und-goldmund-2020