Djon África (2018)

Kapverdische Odyssee

Eine Filmkritik von Falk Straub

Das Suchen und Finden einer Heimat ist nicht nur in Deutschland eine vertrackte Angelegenheit. Befindet sie sich dort, wo man lebt und liebt oder dort, wo man herstammt? In ihrem ersten gemeinsamen Spielfilm begibt sich das portugiesische Regieduo Filipa Reis und João Miller Guerra mit seinem Protagonisten auf Reisen. Doch die Lage ist kompliziert.

Miguel (Miguel Moreira) hat das Herkunftsland seiner Eltern noch nie betreten. In Portugal geboren und bei seiner Großmutter am tristen Stadtrand Lissabons aufgewachsen, reibt ihm jeder seine Andersartigkeit unter die Nase. Dort ist der 25-Jährige ein Afrikaner, in Kap Verde, der Heimat seiner Vorfahren, in die er auf der Suche nach seinem Vater reist, ein Tourist. Schon sein Kreolisch klinge anders, versichert ihm seine Nebensitzerin im Flugzeug. Miguel kontert die verbale Ausgrenzung mit einem augenzwinkernden Hinweis auf seine weiche Haut, die nur ein waschechter Kapverdier haben könne. Seine Sitznachbarin streichelt ihm über den Arm und ist überzeugt. Eine sinnliche Sinnsuche.

Reis begann ihre Karriere im Fernsehen. Seit 2010 dreht sie mit Guerra, mit dem sie gemeinsam in Lissabon lebt und arbeitet, kurze und lange Dokumentarfilme. Auch der erste Spielfilm der beiden mutet in weiten Teilen dokumentarisch an. Wenn ihr Protagonist Santiago die größte der neun Inseln des Staats vor der westafrikanischen Küste erkundet, dann zeigt ihn die Kamera häufig nur von hinten. Und wenn er mit allen Sinnen in das Nachtleben eintaucht, das Nationalgericht Cachupa isst, Grog trinkt, singt und tanzt, dann bleibt sie auf Distanz, fängt das Geschehen aus Miguels randständiger Beobachterposition ein. Vor allem aber die Gespräche mit den Einheimischen verharren in der Schwebe. Sind sie geschrieben, improvisiert oder echt? Und sitzen Miguel hier Schauspieler oder Laien gegenüber?

Je länger der Film dauert, desto mehr verschwimmen die Ebenen. Eine traumhaft anmutende Sequenz auf dem Hinflug, in der Frauen sexy durch den Mittelgang tanzen, nimmt dies bereits vorweg. Später drängen sich symbolisch aufgeladene Bild-und-Sound-Collagen in den Vordergrund. Auf der Suche nach seinem Vater, den er nie kennengelernt hat, gerät Miguel mehr und mehr zu einem kapverdischen Odysseus – von drei Sirenen verführt und beraubt und von einer Alten beherbergt und festgehalten. Ziellos treibt er dahin, bis ihn eine Sprachnachricht auf seinem Handy zurück ins Hier und Jetzt katapultiert. Zu sehen sind währenddessen Freudensaltos in Zeitlupe.

Gemeinsam mit ihrer Hauptfigur lassen Reis und Guerra ihren Blick schweifen, verlieren sich mitunter in ihrer mäandernden Handlung. Kameramann Vasco Viana hat ein tolles Auge für die schroffe Schönheit der kapverdischen Landschaft und für die Seelenlandschaften, die sich in den Gesichtern der Einheimischen abzeichnen. Seine Heimatsuche führt Miguel wieder an den Anfang. Seinen Vater findet er nicht. Er sei sein eigener Vater, sagt er einmal aus dem Off – und bald wird er selbst einer werden. Kann es ein schöneres Zuhause geben?

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/djon-africa-2018