The Gentlemen (2019)

Im Rausch einer coolen Geschichte

Eine Filmkritik von Bianka Piringer

Es ist so viel los in dieser Gangsterkomödie des britischen Regisseurs Guy Ritchie, dass man die Geschichte von völlig verschiedenen Seiten aufrollen könnte. Schwieriger ist es schon, dabei auch zu ihrem Kern vorzustoßen. Beispielsweise ist da der von Matthew McConaughey gespielte Charakter Michael Pearson, der zu Anfang des Films eine Kneipe betritt und in der Jukebox ein Lied auswählt. Bald nähert sich ihm von hinten eine Gestalt und schon spritzt das Blut auf sein Bierglas. Warum aber sollte ein so prominent besetzter Charakter gleich zu Beginn des Films sterben? Ist es denkbar, dass der Film, ausgehend von seinem Tod, in Rückblenden doch von ihm handeln wird?

Diese Fragen lenken das Interesse auf die Art, wie Guy Ritchie erzählt. Sowieso merkt man bald, dass es im ganzen Film eigentlich um die Virtuosität des Erzählens geht, um das High-Werden am Kino selbst. Ritchie huldigt dem Kino mit all den herrlichen Gangster- und Tricksergeschichten, die es je vermochten, ihre Betrachter auf den Schwingen der Coolness davonzutragen. Um es gleich zu sagen: Ein bisschen was von der Liebe dieses Mannes für das Medium Film springt schon über beim Genießen dieses konkreten Werks, aber gerade der coole Schwung, von dem es handelt, kommt nicht richtig auf Touren.

Da gibt es eine Rahmenhandlung mit zwei Personen, die wahnsinnig viel Aufmerksamkeit beansprucht, weil sie ebenfalls von der Kunst des stilvollen Erzählens handelt. Ein Mann namens Fletcher (Hugh Grant) besucht Ray (Charlie Hunnam), der wiederum die rechte Hand von Michael – Mickey – Pearsons ist. Er legt ein selbst verfasstes Drehbuch für einen Film auf den Tisch und erzählt Ray den Inhalt gleich selbst, um ihn zu erpressen. Die Geschichte handelt nämlich von Mickey und Ray und ihren Machenschaften. Der Amerikaner Mickey lebt seit 20 Jahren in England und begann während seines Studiums in Oxford, die Upper Class mit Marihuana zu versorgen. Mittlerweile ist er der größte Produzent dieser Droge weit und breit, die er im Land anbaut, weil es da einen Adel gibt, der Privatgrund hat, aber kein Geld.

Á propos Adel und kultivierte britische Lebensart: Mickey, Ray und auch Fletcher möchten sich so gerne als die im Titel erwähnten Gentlemen sehen, selbst welche werden. Mickey will endlich das gute Leben genießen können, ohne ständig weiter kriminelle Dinge tun zu müssen. Er meint, es sei an der Zeit, sein Imperium für 400 Millionen Dollar zu verkaufen, und zwar an den amerikanischen Milliardär Matthew (Jeremy Strong). Dieser zeigt sich durchaus interessiert, doch dann treten Störer auf den Plan, beispielsweise eine Gruppe Jugendlicher, die eine von Mickeys versteckten Hanffarmen überfallen und ein Video von ihr posten. Ihr fürsorglicher Boxtrainer, von allen nur Coach (Colin Farrell) genannt, will diese Scharte auswetzen und Ray, der Hilfe bei der Schadensbegrenzung gut gebrauchen kann, ein-zwei Gefallen tun.

Immer wieder thematisiert Ritchie einen Generationenkonflikt. Die Jungen wollen es mit den Erfahrenen, Arrivierten, wie Mickey oder Ray, aufnehmen. Die Erfahrenen, Arrivierten wissen, dass die Jungen Stümper sind, aber sie unterschätzen ihre Hartnäckigkeit und ihr Selbstbewusstsein auch. Der aufstrebende asiatische Gangster Dry Eye (Henry Golding) will Mickeys Geschäft übernehmen und verkraftet die Zurückweisung nicht. Und dann sind da noch die Jugendlichen, die mit einem blöden Handy filmen, wie jemand aus dem Fenster fällt, den Ray und seine Schläger gerade besucht haben. Ray hat die größte Mühe mit den frechen Kids, die so wenig Respekt kennen, dass sie sein Geldangebot annehmen, aber das Handy trotzdem nicht hergeben wollen.

Man muss sich bei all diesen Problemen Ray dennoch als einen fähigen, überlegt handelnden Mann vorstellen, der weiß, was er kann. Wenn er den jungen Männern, die er besuchte, bevor einer von ihnen aus dem Fenster fiel, einen wirklich coolen Vortrag darüber hält, wie der Hase läuft, erinnert man sich an einen anderen Showdown zwischen den Generationen, in Once Upon a Time in Hollywood (2019). Da besucht Brad Pitts Charakter Cliff Booth die feindselige Hippiekommune und wird ordentlich gewalttätig, als ihm einer das Auto beschädigt. Der Vergleich mit Quentin Tarantino und seiner Art, filmisch zu erzählen, drängt sich des Öfteren auf, weil die Figuren auch dort gerne selbstverliebt und langatmig reden, als wollten sie die Zeit anhalten, den erhabenen Moment festhalten für die Ewigkeit. Und weil sie das auch dort – beispielsweise in The Hateful 8 (2015) - tun, um der Sehnsucht des Filmemachers nach dem guten alten Geist des Kinos Ausdruck zu verleihen.

Ray also hält ein paar jungen Junkies, die mit der Haupthandlung gar nichts zu tun haben, einen Vortrag, so astrein, so langsam, von so viel aufgeplustertem Schweigen unterbrochen, dass sich Langeweile und Indifferenz beim Publikum einstellt. Worum ging es in dem Film nochmal? Ja, schade um Ray, der gar kein richtiger Hauptcharakter ist, obwohl er so viele Szenen hat! Eigentlich geht es ja um Mickey und seine Geschäfte, nur ist da auch noch dieser Fletcher der Rahmenhandlung, der immerhin von Hugh Grant gespielt wird. Fletcher will Ray davon überzeugen, dass es auch für sie beide nun an der Zeit wäre, in der Liga der Großen mitzuspielen. Seine gedrechselte, stylische Erzählung ist wie ein Bewerbungsgespräch für den Club der Gentlemen, dem Ray, gemessen an seinem Lebensstil, sowieso schon angehört. Grant, mit Bart – auffällig viele Männer in diesem Film tragen Bart – ist gegen den Strich besetzt als schmierige Erscheinung, nicht aber als Mensch, dem das geschmeidige Unterhalten Spaß macht. Ganz und gar nicht gentlemanlike sind die rassistischen Worte, die die Charaktere des Films gelegentlich in den Mund nehmen, sie sagen über Matthew wiederholt nur „der Jude“, auch ein Schwarzer und einige Asiaten werden verbal erniedrigt.

Anders als bei Tarantino gibt es hier keine theatralisch ausgewalzten Gewaltorgien. An Action herrscht dennoch kein Mangel. Ritchie schraubt die Handlung von einer überraschenden Wendung zur nächsten, präsentiert alternative Verläufe, schickt die Figuren in den Ring gegen widrige Umstände. Die Eleganz und die den 1960ern nachempfundene Leichtigkeit, die Codename U.N.C.L.E.(2015) verströmte, wollen sich hier leider nicht einstellen. Ritchie scheint in Ehrfurcht vor den vielen schönen Ideen zu erstarren, die er von seinem inneren Auge sieht, er bläst sie auf wie Luftballons, die er gar nicht mehr loslassen will.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/the-gentlemen-2019