(M)Other (2018)

Komplizinnen des Patriarchats?

Eine Filmkritik von Falk Straub

Beim Betrachten von Antonia Hungerlands Dokumentarfilm kommt einem der Refrain von Meredith Brooks' größtem Hit in den Sinn. „I'm a bitch, I'm a lover / I'm a child, I'm a mother / I'm a sinner, I'm a saint / I do not feel ashamed“, sang Brooks 1997. All das und noch viel mehr konnten Frauen schon damals sein, ohne sich dafür schämen zu müssen. Und doch hat sich seither (zu) wenig verändert.

(M)OTHER ist Hungerlands Abschlussfilm an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf. Darin setzt sie sich mit dem traditionellen Mutterbild auseinander, setzt es zu mehreren anderen Familienkonzepten in Bezug und stellt es dadurch infrage. Die Diskussion ist nicht neu. Immer wieder stoßen Bücher wie etwa Regretting Motherhood der israelischen Soziologin Orna Donath einen Diskurs an. Einzig, dieser scheint nicht so recht bei der breiten Masse anzukommen. (M)OTHER ist ein weiterer, durchaus (erkenntnis-)gewinnbringender, letztlich aber auch unentschlossener Beitrag zur Debatte.

Als Ausgangspunkt wählt Hungerland sich selbst. Die Regisseurin ist mit einer Frau verheiratet. Wenn sich die zwei entschlössen, ein Kind zu bekommen, wer wäre in ihrer Beziehung dann die Mutter? Wenn gleich mehrere Personen von sich behaupten können, die Mutter eines Kindes zu sein, was macht da eine (gute) Mutter aus? Auf der Suche nach einer Antwort begibt sich Hungerland auf die Reise. Die unterwegs gesammelten Interviews begleitet sie mit nachdenklichen Kommentaren aus dem Off.

Die Filmemacherin macht in Kanada bei Leihmüttern, Eizellenspenderinnen und einem schwulen Paar Station, die das Thema allesamt ungemein pragmatisch angehen. Sie nimmt eine Mutter in den Blick, die die Erziehung ihrer ersten zwei Kinder ihrem Ex-Mann in Bayern überlassen hat und ihr drittes Kind allein und mit bunten und diversen Rollenbildern in Berlin aufzieht. Sie schaut einem schwulen Paar mit zwei schwarzen Adoptivkindern über die Schultern, von denen ein Mann polyamor lebt. Und sie befragt ihre eigene Mutter, eine kritische Soziologin, und ihre Großmutter über deren Verständnis von Mutterschaft im Wandel der Zeit.

Hungerlands Ansatz ist ambitioniert, dessen Umsetzung ausbaufähig. Viele der von ihr aus dem Off vorgetragenen Statistiken sind erhellend, doch nicht alle gestellten Fragen regen zum Nachdenken an. Insgesamt fehlt es ihrem Erstling allerdings deutlich an Fokus, wodurch ihm die mitunter gezeigte analytische Schärfe verloren geht. Dass Frauen sich immer noch in ihre althergebrachte Rolle fügen würden, mache sie zu Komplizinnen des Patriarchats, sagt Hungerlands Mutter einmal. Von solchen gleichermaßen klugen wie provokanten Aussagen hätten es gern mehr sein dürfen.

Was bleibt, ist ein schillerndes Kaleidoskop völlig unterschiedlicher Familienkonstellationen. Ein Plädoyer dafür, unser festgefahrenes Rollenverständnis hinter uns zu lassen und die Vielfalt zu akzeptieren, vor allem aber, Müttern ebenso viele Freiheiten, Fehler und Schwächen zuzugestehen wie den Vätern.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/mother-2018