2040 - Wir retten die Welt! (2019)

Grün, grün, grün sind alle Häuser – schön wär’s

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Der Blick des Kinos richtete sich schon seit dem Beginn seiner Geschichte immer wieder nach vorne: gen Zukunft oder in Richtung (gar nicht mehr so) ferner Utopien. Gerne verbunden mit der Urfrage: Welche Rolle wird der Mensch darin haben? Oder dystopisch gespiegelt: Wann wird sich die menschliche Spezies selbst ausradiert haben? Beim Verfassen einer Kritik im November 2019, dem Blade-Runner-Jahr, stellen sich diese Überlegungen umso dringlicher, was nicht nur, aber natürlich sehr viel mit dem Kinostart von Damon Gameaus „2040 – Wir retten die Welt!“ zu tun hat.

Wenn es nach dem extrem subjektiven Blickwinkel des australischen Schauspielers und Regisseurs geht, der bereits 2015 einen ebenso massenkompatiblen wie populärwissenschaftlichen Dokumentarfilm (Voll verzuckert – That Sugar Film) realisiert hatte, steht es um die Menschheit in toto gar nicht so schlecht. Trotz weltweit verheerender Umweltzerstörungen, politischer Dauerkrisen, eines nahenden Energie- und Versorgungskollapses und den jährlich für alle massiver spürbaren Folgen des Klimawandels, so seine These, liegt es letzten Endes immer noch und in erster Linie an uns selbst, das ökologische Ruder ein für alle Mal herumzureißen.

Doch anstatt sowohl in der allzu lieblichen „Imagefilm“-Bildgestaltung (Kamera: Hugh Miller) als auch im jederzeit überraschungsfreien Schnittrhythmus von Jane Usher ein alarmierendes, brutal ehrliches Katastrophenszenario zu entwerfen, das den Zuschauer in 90 harmlos dahin plätschernden Dokumentarfilmminuten wenigstens einmal wirklich aufrütteln würde, mäandert Gameaus reichlich weichgespültes „We-save-the-world“-Szenario im Grunde von einer Banalität zur nächsten. Und das Schlimmste: ohne einen Funken Utopie zu verbreiten, obwohl er via zahlreicher Animationen alle paar Minuten in die Zukunft reist! 

Derart uninspiriert und gleichzeitig weitgehend bekannt sind viele der von ihm in belanglosen Face-to-Face-Szenen vorgestellten grünen „Pionierprojekte“, für die er obendrein und alles andere als „grün reisend“ gefühlt einmal quer um die Welt geflogen ist. Zugleich wird der keineswegs kamerascheue Gameau nie müde zu betonen, dass er dieses ganze Filmprojekt für seine vierjährige Tochter Velvet und stellvertretend für alle Kinder dieses Planeten initiierte, was ihn persönlich natürlich ehrt, aber filmemacherisch an keiner Stelle davor bewahrt von einer Kitschfalle in die nächste zu tappen.

Zwischen all den glatt-funktional präsentierten Mutmacher-Beispielen im Bereich der Energie-, Verkehrs- und Landwirtschaft und zusammen mit der musikalisch schwer verdaulichen Süßholzclustersoße Bryony Marks funktioniert 2040 – Wir retten die Welt! wie ein sicherlich vollkommen gesunder, aber gleichzeitig geschmackfreier „Feel-Good-Smoothie“. Ja, natürlich sollen wir weniger Fleisch und mehr Algen essen, weil die schließlich das „schnellst nachwachsende Lebensmittel“ dieses Planeten sind, wie es einmal beiläufig heißt. Und natürlich sollten möglichst viele Menschen ihren eigenen Solarstrom erzeugen, wenn da nur nicht die milliardenschweren Energiekonzerne im Hintergrund lauern würden...

Damon Gameaus aufrichtig konzipierter und an ein jugendliches Publikum adressierter „Wir schaffen das“-Öko-Dokumentarfilm stellt sicherlich en gros die richtigen Fragen, doch leider glaubt man ihm davon angesichts seiner mannigfaltig präsentierten Naivität keine einzige Sekunde. Oder um es in der blumig-seichten Sprache des Regisseurs auf den Punkt zu bringen: „Wir haben alles, was wir jetzt gerade brauchen, um es möglich zu machen.“ Ja, wenn es nur immer so einfach wäre.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/2040-wir-retten-die-welt-2019