Crescendo - #makemusicnotwar (2019)

Im Zusammenspiel

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Junge Musikerinnen und Musiker aus Israel und Palästina für ein Konzert zusammenzubringen. Den kulturellen, religiösen und politischen Konflikten trotzen und die Musik in den Vordergrund, die Kunst über alles stellen. Das ist die Idee. Für Kulturmanagerin Karla ist das interkulturelle Konzert vor allem ein Prestigeprojekt, für Dirigent Eduard Sporck wird es zur Reise in die eigene Vergangenheit, und für die Musiktalente könnte es die Chance ihres Lebens sein. Und dann kommt alles anders.

Eduard Sporck (Peter Simonischek) ist ein gefeierter Dirigent, einer der besten seines Fachs. Er ist emeritiert, lehrt aber immer noch in Frankfurt. Als Karla (Bibiana Beglau) ihn aufsucht und vom Friedensprojekt erzählt, ist er zunächst skeptisch, vor allem auch deshalb, weil er – das Kind von Eltern mit Nazivergangenheit – ein Päckchen mit sich herumträgt, das ihn sein Leben lang belastet. Gerade er soll Frieden zwischen Israelis und Palästinensern schaffen? Karla überzeugt ihn vom Wert der Sache, und so fliegt Eduard nach Tel Aviv und stellt aus den jungen Musikern ein kulturell gemischtes Orchester zusammen.

Seit Wochen haben sich die musikbegeisterten Jugendlichen auf das Vorspiel vorbereitet. Im Orchester des großen Eduard Sporck zu spielen, ist für viele ein Traum – unfassbar, dass dieser möglich werden könnte. Doch gerade für die palästinensischen Musiker ist es gar nicht so einfach, überhaupt zum Vorspiel zu erscheinen. Die Violinistin Layla (Sabrina Amali) legt sich vor lauter Aufregung mit einer Grenzsoldatin an, so dass ihr fast die Einreise nach Israel verweigert wird; und auch Omar (Mehdi Meskar), der leidenschaftlich Klarinette spielt, verpasst annähernd seine Chance, weil er das erste Mal auf der anderen Seite der Grenze ist und sich nicht auskennt.

Gemeinsam schaffen die beiden dann aber doch den Weg in den Konzertsaal in Tel Aviv. Beide spielen vor und während Layla sofort aufgenommen wird, soll Omar über Nacht ein Stück üben und es am nächsten Tag noch einmal versuchen, ordnet Eduard an. Der Meister ist streng, nimmt bei weitem nicht alle Bewerber an, schickt enttäuschte und wutentbrannte Jungmusiker nach Hause und hat am Ende nicht die Hälfte seines Orchesters besetzt. Gerade die Palästinenser seien einfach zu schlecht, erklärt er Karla. Ein paritätisch besetztes Orchester sei unmöglich. So entscheiden sie sich für eine kleinere Gruppe, mit der sie unter großen Sicherheitsvorkehrungen nach Südtirol reisen wollen, wo sich das Kammerorchester formieren und proben soll.

Aber noch in Tel Aviv kommt es zu ersten Spannungen: Ron Kaminer (Daniel Donskoy), Violinist und Jungstar der israelischen Musikszene, ist nicht mit den Entscheidungen von Eduard einverstanden, außerdem hätte er gerne seine befreundeten Musiker mit dabei. Layla, die Eduard zur Konzertmeisterin gekürt hat, wird von den israelischen Orchestermitgliedern nicht akzeptiert, es kommt zum ersten Gerangel im Konzertsaal. Eduard schüttelt nur den Kopf und ist sich sicher: „Das ist aussichtslos.“

Crescendo #makemusicnotwar ist vor allem ein Film darüber, etwas Unmögliches möglich zu machen oder es zumindest zu versuchen. Mit dem Willen, dem Mut jedes Einzelnen kommt man einen Schritt weiter, manchmal auch zwei. Es ist mühsam, der Weg ist anstrengend, das Tempo ein langsames, und doch lohnt sich jede Anstrengung. Dies versucht Eduard seinen Eleven jeden Tag aufs Neue zu vermitteln, als sie sich in der Südtiroler Bergwelt wiederfinden und gemeinsam wie in kleinen Gruppen klassische Musikstücke üben. Das musikalische Talent ist dabei selten das Problem, stellt Eduard schnell fest, sondern die Bereitschaft, auf den anderen zu hören, auf ihn zuzugehen und das Zusammenspiel überhaupt zu wollen.

Deshalb wird die Musikstunde zum Geschichtskurs, zur Therapiesitzung, zum Teambuilding-Training. Und dies sind die stärksten Momente des Films: Wenn Israelis und Palästinenser von den Wunden ihrer Familien erzählen, von Verletzungen, von Verlust und Rachedurst. Hier merkt man Regisseur Dror Zahavi seine Erfahrung mit Stoffen an, die den Nahost-Konflikt zwischen Israel und Palästina thematisieren. Ansonsten ist der Plot etwas schwerfällig, an manchen Stellen wird die Spannung zu schnell aufgelöst, an anderen ist die Geschichte zu vorhersehbar und an wieder anderen Stellen werden Handlungselemente nicht recht zu Ende gebracht.

Die jungen Schauspielerinnen und Schauspieler arbeiten größtenteils überzeugend: Omar ist der unbedarfte naive Junge, der sich zum ersten Mal – in eine Israeli – verliebt und dem man seine Unsicherheit, aber auch seine plötzlich geweckte Neugier glaubt. Auch die Darstellung von Layla oder Ron überzeugt zu weiten Teilen, gerade aber in Szenen des auflebenden Konflikts stechen die Nebendarsteller fast noch mehr hervor. Sie leben ihre Geschichte, den Konflikt, den Hass, die Intoleranz. Ob die Kraft der Musik helfen kann, diese tiefsitzenden Gefühle zu überwinden?

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/crescendo-makemusicnotwar-2019