Annabelle 3 (2019)

Beliebigkeit regiert

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Conjuring – Die Heimsuchung, Annabelle, Conjuring 2, Annabelle 2, The Nun und Lloronas Fluch – diese sechs Filme spielten bislang im sogenannten Conjuring-Universum, einer stetig expandierenden Horrorreihe, die an den Kinokassen erstaunliche Erfolge erzielen konnte. In kreativer Hinsicht schwankten die Gruselwerke allerdings gewaltig. Waren das Auftaktkapitel „Conjuring – Die Heimsuchung“ und dessen Fortsetzung größtenteils wirkungsvolle Schauerstreifen mit aufrichtigem Interesse für ihre Protagonisten, zeichneten sich, mit Abstrichen von „Annabelle 2“, alle anderen Arbeiten des gemeinsamen Erzählkosmos durch mechanisch-monotone Spukgeschichten aus. Diesem Trend folgt nach dem hübsch bebilderten, inhaltlich aber schwachbrüstigen „Lloronas Fluch“ auch der dritte Beitrag über die unheimliche Puppe Annabelle, die selbst zwar nicht besessen ist, andere Geister jedoch erwecken kann.

Wenngleich den Dämonologen Lorraine (Vera Farmiga) und Ed Warren (Patrick Wilson) anfangs die Bühne gehört, sind die aus Conjuring – Die Heimsuchung und Conjuring 2 bekannten Eheleute in Annabelle 3 lediglich Randfiguren. Im Prolog bringen sie die titelgebende Puppe in ihren Besitz und sperren sie in einen geweihten Glaskasten, der in einem Raum mit unzähligen verfluchten Sammelstücken steht. Einige Zeit später organisieren die für eine Nacht verreisenden Warrens eine Babysitterin für ihre Tochter Judy (Mckenna Grace). Mary Ellen (Madison Iseman) nimmt sich der Betreuungsaufgabe an und ist wenig erfreut, als plötzlich ihre Freundin Daniela (Katie Sarife) um Einlass in das urige Haus der Geisterjäger bittet. Während Mary Ellen und Judy draußen spielen, dringt die neugierige Daniela kurz darauf in das Zimmer mit den gefährlichen Artefakten ein und öffnet dummerweise Annabelles Vitrine.

Angesichts des aufdringlichen Tamtams, das im gegenwärtigen Horrorkino dominiert, ist es erfreulich, wenn ein Schauerstück nicht schon nach den ersten dreißig Minuten aus allen Rohren feuert. Annabelle 3 geht rund eine Stunde lang sparsam mit lärmenden Schockeffekten um und versucht sich, stellenweise erfolgreich, an der Etablierung einer bedrückenden Gruselatmosphäre. Hilfreich ist dabei sicherlich, dass der räumlich fast ausschließlich auf das Warren-Anwesen begrenzte Film seinen Handlungsort als kleines Retro-Wunderland inszeniert. Überall gibt es obskure Objekte zu bestaunen. Und mit seiner verspielt-nostalgischen Inneneinrichtung – psychedelische Blumentapeten inklusive – verströmt das Haus ein nettes Siebziger-Jahre-Flair. Ausstattungstechnisch und visuell liegt Annabelle 3 – das ist man von der Conjuring-Reihe inzwischen gewohnt – über dem Genredurchschnitt.

Deutlich weniger ambitioniert geht es allerdings auf Drehbuchebene zu, die der ebenfalls auf dem Regiestuhl sitzende Gary Dauberman (Skriptlieferant für Annabelle, Annabelle 2 und The Nun) verantwortete. Seine Figuren laden zwar zum Mitfiebern ein. Den größten Anteil daran haben allerdings die Darstellerinnen mit ihren durchaus engagierten Auftritten. Eine emotionale Kraft, wie sie beispielsweise Conjuring 2 gelegentlich entfaltet, sucht man dennoch vergebens, da der Film seine Charakterprofile eher alibimäßig an die Wand wirft. Weder Judys Empfinden als Außenseiterin noch Danielas Schuldgefühle nach dem Tod ihres Vaters erhalten die notwendige Beachtung, um den Zuschauer durchgängig zu fesseln.

Zu einer beliebig zusammengebastelten Gruselparade avanciert der schön anzuschauende Horrorthriller dann, wenn er seine Zurückhaltung aufgibt und die Jump-Scare-Maschine anschmeißt. Brechen sich die vorhersehbaren, wenig originellen Buh-Orgien einmal Bahn, drängt sich zunehmend der Eindruck auf, dass die titelgebende Puppe nicht viel mehr als eine billige Funktionsträgerin ist. Annabelles Geschichte spielt keine Rolle mehr. Stattdessen ermöglicht ihre Fähigkeit, andere Geister zu aktivieren, ein Schaulaufen diverser Spukgestalten aus dem Warren-Keller. Figuren, die – ein Schelm, wer Böses dabei denkt – weitere Reihenableger ins Leben rufen könnten.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/annabelle-3-2019