Dune (2021)

Wenn das Schicksal ruft

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Große Visionen und große Enttäuschungen – so oder ähnlich lässt sich die bisherige Verfilmungsgeschichte von Frank Herberts kultisch verehrtem Science-Fiction-Roman Dune (in Deutschland unter dem Titel Der Wüstenplanet herausgebracht) zusammenfassen. Nach ersten gescheiterten Versuchen, das in einer komplexen Zukunftswelt spielende Werk auf die große Leinwand zu hieven, durfte sich im Jahr 1983 der kurz zuvor mit Der Elefantenmensch ins Rampenlicht getretene Regieexzentriker David Lynch an einer Adaption versuchen. Seine Version, die von Produzent*innen-Seite massiv zusammengestutzt wurde, fiel nach der Veröffentlichung bei Kritik und Publikum weitestgehend durch. Lynch selbst, der bei diesem Projekt nicht das Recht auf den Final Cut besaß, sah sich in seiner kreativen Freiheit drastisch eingeschränkt und gibt, etwa in einem ausführlichen Interview mit Chris Rodley offen zu, dass Dune – Der Wüstenplanet eine katastrophale Erfahrung gewesen sei, die ihm seine Karriere hätte kosten können.

Weitaus weniger dramatisch stellt sich die Lage mit Blick auf die zweite Kinobearbeitung des einflussreichen Buches dar. Erste Bemühungen, Herberts Stoff neu aufzulegen, verliefen Ende der 2000er Jahre noch im Sande. 2016 kristallisierte sich aber langsam heraus, dass der Frankokanadier Denis Villeneuve, der sich in Hollywood einen eigenen, ausdrucksstarken Stil bewahren konnte, mit der Inszenierung betraut werden würde. Schaut man auf seine letzten beiden Spielfilme, das kluge, mit linguistischen Überlegungen durchsetzte Science-Fiction-Drama Arrival und das vor allem atmosphärisch atemberaubende Klassikersequel Blade Runner 2049, scheint dies nur folgerichtig. Gibt es derzeit doch nur wenige Leinwandkünstler*innen, denen man ohne Weiteres zutraut, eine epische Zukunftsgeschichte angemessen bildgewaltig umzusetzen.

Villeneuves Dune, das muss gleich vorweggeschickt werden, weil es in der Werbekampagne untergeht, umfasst allerdings bloß den ersten Teil des Romans und fühlt sich am Ende keineswegs abgeschlossen an. Ob die geplante Fortsetzung tatsächlich gedreht wird, dürfte, wie so oft im Hollywood-Business, die Performance an den Kinokassen entscheiden. Wünschenswert wäre ein Weiterspinnen allemal. Denn nach 155 Minuten verspürt man reichlich Lust, noch tiefer in die von Herbert erdachte und von Villeneuve souverän komprimierte Story-Welt einzutauchen.

Zuschauer*innen, die Arrival und Blade Runner 2049 kennen, wissen, dass sich der Regisseur auch in Großproduktionen in Geduld üben kann. Eine Eigenschaft, die Dune von vielen anderen Science-Fiction-Spektakeln abhebt. So vergeht über eine Stunde, bis die erste fulminante, nervenaufreibend geschnittene Actionsequenz im Wüstensand den Kinosaal zum Beben bringt. Schon vorher bietet der von Greig Fraser fotografierte Film zahlreiche eindrucksvolle Landschaftsbilder und imposante Massenszenen, in denen man sich mitunter verlieren kann. Das Hauptaugenmerk liegt zunächst jedoch darauf, uns mit dem Setting, den auftretenden Parteien und den politischen Konflikten vertraut zu machen.

In einer viele Jahrtausende entfernten Zukunft hat die Menschheit das Universum erobert und spaltet sich unter der Herrschaft des Imperators, der, anders als in der Lynch-Version, nie persönlich in Erscheinung tritt, in verfeindete Adelshäuser auf. Als der große Lenker der Familie Harkonnen nach acht Dekaden den kargen Wüstenplaneten Arrakis entreißt und seine Kontrolle an die Atreides-Sippe übergibt, künden sich handfeste Spannungen an. Immerhin gibt es einzig auf Arrakis die lebensverlängernde, bewusstseinserweiternde und für die interstellare Raumfahrt wichtige Droge Spice, deren systematischen Abbau nun Leto Atreides (Oscar Isaac) überwachen soll. Mit seiner Partnerin Lady Jessica (Rebecca Ferguson), ihrem gemeinsamen Sohn Paul (Timothée Chalamet) und seinem Hofstaat zieht es den Herzog auf den fremden Himmelskörper, den außerdem die einheimischen Fremen bewohnen. Im Gegensatz zu Baron Harkonnen (Stellan Skarsgård), der vor allem auf brutale Unterdrückung setzte, strebt Leto eine Kooperation an.

Bereits kurz nach der Ankunft schwinden allerdings die Hoffnungen auf eine ertragreiche Spice-Gewinnung, da die vorherigen Verwalter die Erntemaschinen in schlechtem Zustand hinterlassen haben. Paul, der schon auf seinem Heimatplaneten Caladan von seltsamen Träumen und Visionen verfolgt wird, fühlt sich magisch angezogen von der endlos scheinenden Wüste, in der mit den gigantischen, bis zu 400 Meter langen Sandwürmern tödliche Gefahren lauern. Ausgerechnet in dem jungen Mann glauben einige Fremen, den Messias aus ihren Prophezeiungen zu erkennen. Dass er zu Besonderem berufen ist, will ihm auch seine Mutter begreiflich machen, die der Schwesternschaft der Bene Gesserit angehört und Paul die Künste dieser sagenumwobenen Gemeinschaft gelehrt hat. Der Moment, sich zu beweisen, kommt schließlich früher, als Atreides-Junior lieb sein kann.

Villeneuve, der das Drehbuch zusammen mit Jon Spaihts (Passengers) und Eric Roth (A Star Is Born) verfasste, beschreibt Dune als eine Coming-of-Age-Geschichte und liegt damit sicher nicht verkehrt. Paul, dessen Traumwelt der Film immer wieder bebildert, erscheint wie ein Leidensgenosse Frodo Beutlins aus Der Herr der Ringe, der ebenfalls das Schicksal einer ganzen Welt auf seinen Schultern trägt. Pauls Zweifel, seine anfangs abweisende Haltung kommen dank der treffsicheren Besetzung überzeugend zum Ausdruck. Timothée Chalamet, spätestens seit seiner Darbietung in Luca Guadagninos feinfühligem Liebesdrama Call Me by Your Name zu einem der meistgefragten Jungdarsteller Hollywoods aufgestiegen, transportiert in seinen feinen Zügen und seinem stets etwas melancholischen Blick die Unsicherheit und Verletzlichkeit des unerfahrenen Helden, dem es nicht geheuer ist, irgendwann in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. So gerne man seinem Weg folgt, stört es doch ein wenig, wie salbungsvoll die Romanadaption, auch über Hans Zimmers gewohnt bombastische Musik, seine Rolle als Heilsbringer unterstreicht. Etwas Zurückhaltung wäre sicher nicht verkehrt gewesen und hätte die Erzählung nicht geschwächt.

Dass der neue, bis in die Nebenrollen stark besetzte Dune mit den Gedanken einer jungen Fremen-Angehörigen namens Chani (Zendaya) beginnt, ist ungemein spannend. In ihren Ausführungen klingt nämlich der Aspekt der gewaltsamen Kolonisierung an. Im Fortgang gerät er allerdings zunehmend aus dem Blick, was natürlich mit Letos gemäßigterem Ansatz zu tun hat. Lediglich sporadisch angerissen werden zudem die ökologischen Überlegungen, die in Herberts Roman zu finden sind. Vielleicht geht eine mögliche Fortsetzung hier ja noch etwas mehr ins Detail. Zusätzliche Informationen zu der reizvollen, im Schatten Strippen ziehenden, rein weiblichen Bene-Gesserit-Vereinigung dürfte die Spin-off-Serie Dune: The Sisterhood liefern, deren Pilotfolge Villeneuve ebenfalls in Szene setzen soll.

Die von verschiedenen kulturellen Einflüssen geprägte Welt, die Dune mit gigantischem Aufwand zum Leben erweckt, zieht einen mit vielen interessanten Einzelheiten – etwa einem als Anschlagswaffe genutzten Moskito oder libellenartigen Hubschraubern – in den Bann. Für das angedachte zweite Kapitel darf man sich aber wünschen, dass die Perspektive der Kolonisierten, wie es der Einstieg eigentlich andeutet, größeres Gewicht bekommt. Bislang taucht Chani fast nur als geisterhafte Präsenz in Pauls Träumen auf. Ein Sequel sollte hingegen dafür sorgen, ihrer Figur weitere Facetten zu verleihen. Entscheiden kann nun das Kinopublikum, ob es den reichhaltigen Schauplatz weiter durchwandern und seine teilweise schillernden Charaktere noch näher kennenlernen will.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/dune-2021