Rebellinnen - Leg dich nicht mit ihnen an! (2019)

Wannabe

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Fast so schlimm wie Filme ohne jede Ambition sind Filme, die sich für sehr viel cleverer und lustiger halten, als sie sind. So halten etwa Allan Mauduit und sein Co-Autor Jérémie Guez einen blutig abgetrennten Penis für einen derart tollen Einfall, dass sie ihn zu einem Running Gag ihres kruden Werks „Rebellinnen – Leg dich nicht mit ihnen an!“ machen. Das Spiel mit derlei Geschmacklosigkeiten wäre womöglich ansatzweise subversiv, wenn es Herschell Gordon Lewis, John Waters, Bruce LaBruce sowie das gesamte Exploitation-Kino der 1960er und 1970er Jahre und sämtliche schwarze Komödien aus Skandinavien nie gegeben hätte. Doch so ist es leider einfach nur plump und unoriginell.

Zu Beginn lässt die Geschichte durchaus Potenzial erkennen. Da es mit der Modelkarriere nicht klappen wollte und ihr Ehemann sich als brutal erwiesen hat, muss Sandra (Cécile de France) nach etlichen Jahren in ihren Heimatort Boulogne-sur-Mer zu ihrer alleinstehenden Mutter (Béatrice Agenin) zurückkehren. Die Ausbildung zur Friseurin hatte die Ex-Schönheitskönigin einst abgebrochen; deshalb bleibt ihr jetzt nur ein Job in der örtlichen Fischkonservenfabrik. „Willkommen in der Armut!“, meint die Mutter zur Tochter. Und als Zuschauer_in glaubt man zu diesem Zeitpunkt vielleicht noch, dass sich das Skript und die Regie für das dargestellte Milieu interessieren – dass eine bitterböse Auseinandersetzung mit den Lebensumständen und den Arbeitsbedingungen in Nordfrankreich folgen wird. Aber statt sich intensiver mit dem Schuften am Fließband und dem tristen Alltag der gezeigten Arbeiterinnen zu befassen, stecken Sandra und ihre Kolleginnen Nadine (Yolande Moreau) und Marilyn (Audrey Lamy) bald mitten in einem durch und durch klischeehaften Crime-Comedy-Plot.

Denn als ihr Vorgesetzter Jean-Mi (Patrick Ridremont) Sandra zu vergewaltigen versucht, kommt dieser bei einem Unfall ums Leben – und hinterlässt eine Tasche voller Geld, die die drei Frauen an sich nehmen. Das Geld ist allerdings gestohlen, weshalb nicht nur der Polizist Digne (Samuel Jouy), sondern auch eine belgische Gruppe von Gangstern sowie der französische Mittelsmanns Simon (Simon Abkarian) hinter dem Trio her ist. Dass Rebellinnen dabei etwas über Machtmissbrauch am Arbeitsplatz, über sexuelle Gewalt oder über die Kriminalität in der Provinz zu erzählen hätte, sollte man nicht erwarten. Dass es Mauduit gelingt, Humor und Härte satirisch zu kombinieren, ebenfalls nicht. Wenn der adoleszente Sohn der alleinerziehenden Marilyn auf deren Aussage, sie hätten kein Geld, trotzig entgegnet, sie solle eben weniger Drogen kaufen, und Marilyn dem Jungen daraufhin eine Ohrfeige verpasst, soll das vermutlich total witzig sein. Es ist hingegen nur ein weiterer Moment, in dem es sich der Film viel zu leicht macht und lieber die schnelle Pointe sucht, statt irgendeine glaubhafte Haltung einzunehmen. Drogen- oder Eheprobleme? Die lassen sich dann schon lösen, wenn man erst mal ordentlich Kohle erbeutet hat.

Auch die Figurenzeichnung ist kaum einnehmend. Cécile de France verleiht der Protagonistin Sandra zunächst eine überzeugende Abgebrühtheit, wenn sie mit Haarnetz und im Kittel in der Fabrik in Dienst tritt. Leider gewinnt die Rolle im Laufe der Handlung dann aber nicht wirklich an Tiefe – was auch ein Subplot um Sandras bisher unbekannten Vater nicht zu leisten vermag. Noch eindimensionaler bleibt die von Audrey Lamy verkörperte Marilyn. Die einzige Figur, die halbwegs reizvoll gestaltet ist, ist Nadine – eine zweifache Mutter und Ehefrau, deren Geldnot und Frustration vor allem dank der wunderbaren Yolande Moreau (Séraphine) nachvollziehbar eingefangen wird. Zu den Schwächen des Films zählt wiederum, dass die Solidarität unter den drei Frauen – die bei dieser Geschichte eigentlich das Wichtigste sein müsste – streckenweise gar nicht spürbar ist und daher am Ende eher wie eine Behauptung wirkt.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/rebellinnen-leg-dich-nicht-mit-ihnen-an-2019