Once Again - Eine Liebe in Mumbai (2018)

Rendezvous nach Ladenschluss

Eine Filmkritik von Falk Straub

Wer ans indische Kino denkt, meint meist das bunte Bollywood mit ausgelassenen Gesängen und Tänzen. Dabei ist die Filmindustrie des Subkontinents, die jedes Jahr knapp 2000 neue Werke auf den Markt bringt, so viel reicher. Der in Amritsar geborene, mittlerweile in Leipzig lebende Kanwal Sethi schlägt in seiner internationalen Co-Produktion leise Töne an und zeigt die Millionenmetropole Mumbai von einer ungewohnten Seite. Ganz ohne Tanz kommt auch er nicht aus.

Sethi setzt ihn mal ironisch, mal poetisch, vor allem aber realistisch ein. Sein Film ist kein Musical, in dem die Charaktere unvermittelt aus den Rollen fallen. Ganz im Gegenteil: Schauspieler Amar (Neeraj Kabi) und Köchin Tara (Shefali Shah) stehen mit beiden Beinen auf dem Boden. Für eine neue Rolle fühlt sich Amar zu hüftsteif und holt sich Rat bei Tara, die das Tanzstudio einst gegen die Küche tauschte. Seit einem Jahr bestellt er bei ihr Essen und ruft sie nach Ladenschluss an. Gemeinsame Momente zweier einsamer Seelen inmitten Millionen anderer. Kurz vor seinem Geburtstag steht Amar der Sinn nach mehr.

Das erste Treffen kommt zur Unzeit. Die stolze Köchin, die Familie und Restaurant seit dem Tod ihres Manns allein schultert, steckt mitten in den Vorbereitungen für die Hochzeit ihres Sohnes Dev (Priyanshu Painyuli) und in Verhandlungen mit der Bank. Zeit bleibt nur nach Ladenschluss. Eine Gelegenheit, Mumbai bei Nacht zu erkunden – mal hoch über der Stadt, mal unten am Hafen. Tara und Amar werden zu zwei Gesichtern im Lichtermeer.

Schon tagsüber blendet Sethi die Geschäftigkeit der Millionenmetropole aus, rückt nah an seine Protagonisten heran, dimmt den Straßenlärm herunter. Die Köchin und der Schauspielstar bewegen sich durch sie wie Geister, wie das Wesen, das Amar in seinem jüngsten Film spielt. Verfluchte, die erst durch die Liebe zurück ins Leben finden. In ihrem Alltag sind sie allein, egal wie hektisch es um sie herum zugeht. Zwischen Beruf und Familie vergisst Tara sich selbst. Amar wiederum umgibt sich mit Bediensteten. Ein Star, der an seinem Geburtstag mit seinem Chauffeur isst, weil er sonst niemanden hat, und der nicht merkt, welchen Schaden er mit seinem Geld anrichtet. In seinem sterilen Luxusapartment blüht er nur im kleinen Garten auf.

Sethi inszeniert diese Liebe als zärtliches Abtasten, das ungeduldigen Zuschauer*innen schnell den letzten Nerv rauben kann. Doch hinter dem Zögern und Zaudern, den vielen kurz angebundenen Telefonaten, die scheinbar zu nichts führen, steckt noch eine andere Wahrheit. Diese abwartende Annäherung ist nicht nur dem Alter der Figuren geschuldet und dem zu erwartenden Medienrummel, der nach der Entdeckung ihrer Treffen auch einsetzt. Tara ist sich möglicher Konsequenzen für sie als Frau bewusst. Nicht jeder steht ihrer Liebe offen gegenüber, misst das Verhalten der beiden mit zweierlei Maß. Sethi hat das in einem Interview als konservativen Chauvinismus beschrieben, der genau wie überall auch in Indien existiere.

„Nur wenn man zu sich selbst findet, kann man jemanden lieben“, sagt Amar mit Blick über die unter ihm liegende Stadt zu Tara. „Vielleicht. Man kann aber auch jemanden lieben und dadurch zu sich selbst finden“, entgegnet sie ihm. Once Again ist beides, eine Reise zweier einsamer Seelen zueinander und zu sich selbst. Getragen von den träumerischen Klängen der Bambusflöte und den Raga-Melodien, die Figuren ab und an leise vor sich hinsingen. Eine Reise, auf die man sich einlassen muss.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/once-again-eine-liebe-in-mumbai-2018