Doozy (2018)

Das Gelächter eines Bösewichts

Eine Filmkritik von Katrin Doerksen

Die talking heads in Doozy sind manchmal silent heads. Dann filmt Richard Squires ihre Gesichter in Großaufnahme, während sie die Cartoons ihrer Kindheit schauen, Cartoons der Hanna-Barbera-Studios: Fred Feuerstein und die in Deutschland weniger bekannten Where’s Huddles?, It’s the Wolf, The Perils of Penelope Pitstop. In ihren Gesichtern spiegeln sich Nostalgie und Amüsement, Neugier, aber manchmal auch offene Verwunderung und sogar Irritation. Darauf kann man sich als Zuschauer vor allem deswegen so gut konzentrieren, weil uns Squires nur die Tonspur der Cartoons gibt. Visuell beschränkt er sie auf extrem kurze Ausschnitte und Stills. Das mag es für alle, die die Barbera-Cartoons noch nicht kennen, schwieriger zu folgen machen. Aber für seinen Film ist es definitiv ein Gewinn. Denn Doozy soll nicht einfach nur eine Nostalgieshow sein.

Das Hauptinteresse gilt vielmehr den Bösewichten der Barbera-Cartoons. Beziehungsweise der Stimme des Schauspielers dahinter. Aber wo verläuft eigentlich die Grenze? Zwischen Stimme und Figur, Persona und tatsächlicher Persönlichkeit eines Schauspielers? Wie schwierig diese Unterscheidung ist, zeigt der Fall Paul Lynde geradezu exemplarisch. Er ist nicht nur als biografisches Porträt von Interesse, sondern weit darüber hinaus. Lyndes Karriere, sein Typecasting und sein persönliches Leben erzählen uns viel über die Mechanismen des Showbusiness und ergänzen ein wichtiges Kapitel queerer Filmgeschichtsschreibung. Richard Squires Ansatz in Doozy ist deswegen in erster Linie analytisch. Seine talking heads sind nicht Lyndes Wegbegleiter, Kritiker und Liebhaber der Barbera-Cartoons, sondern Medien- und Kommunikationswissenschaftler, Psychologen, Genderforscher und eine Forscherin, die sich mit Stimmen, Sprache und Gelächter auseinandersetzt.

Paul Lynde, 1926 in Ohio geboren, ist einem breiteren Publikum heute vor allem für seine Rolle des Onkel Arthur in der Sitcom Verliebt in eine Hexe bekannt. Aber er lieh eben auch zahlreichen Bösewichten in den Barbera-Cartoons seine Stimme – und Richard Squires nimmt diese Tatsache zum Anlass darüber nachzudenken, wie eigentlich Bösewichte funktionieren, wie sie angelegt und gezeichnet sind, um von Anfang an als Antagonisten erkennbar zu sein. Körperform, Akzente, Stimmlage spielen hier eine wichtige Rolle – und immer wieder das breite Lächeln, das markante Lachen, auffällig nah an Lyndes eigener Starpersona: Campy, exaltiert, oftmals schmierig, anders als alle anderen. Die Ähnlichkeit zwischen Lynde und seinen Figuren erhält eine völlig neue Dimension, wenn man weiß, dass der Schauspieler schwul war. Wenn auch die Presse nicht offen darüber berichtete, es galt als offenes Geheimnis. Sein eigener Wikipedia-Artikel nennt Lynde heute noch „barely in-the-closet.“ Ihn soll das verständlicherweise frustriert haben – die Heimlichtuerei, seine Festlegung auf bestimmte Rollen, kompensiert durch Alkohol- und Drogenkonsum, Phasen extensiver Gewichtszunahme. 

Gelegentlich droht Doozy etwas auseinanderzufallen – wenn etwa der Regisseur in Lyndes Heimatstadt in Ohio reist und die Orte, die Menschen und Musiker, die er dort findet, nicht viel Essentielles zum Verständnis seiner Persona beizutragen haben. Am besten ist der Film in seinen dichten Momenten, wenn die Wissenschaftler in ihren alten TV-Shows nachempfundenen, bonbonbunten Boxen sitzen und Cartoons analysieren. Und in den Dramatisierungen, in denen Richard Squires Paul Lynde als gezeichnete Cartoonfigur im Hanna-Barbera-Stil durch frei ausgeschmückte Szenen seines Lebens wandeln lässt. Da darf er endlich aufsässig und frivol sein und schwul, und zwar nicht nur andeutungsweise. 

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/doozy-2018