Glam Girls - Hinreissend verdorben (2019)

Derbes Glamourduo

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Die eine spielte sich als Szenendiebin in diversen (Ensemble-)Komödien in die erste Reihe und wurde 2019 in der amüsanten RomCom-Persiflage Isn’t It Romantic erstmals für einen Film als leading lady besetzt; die andere war „Plötzlich Prinzessin!“, tanzte hingebungsvoll auf Rachels Hochzeit und heimste mit einer beinahe schon aberwitzig lehrbuchmäßigen Gesangs-, Leidens- und Todesdarbietung in einer klassisch-biederen Musicaladaption den Oscar ein, den sie für mindestens drei ihrer anderen Leinwandauftritte viel eher verdient gehabt hätte.

Keine Frage: Die Australierin Rebel Wilson und die US-Amerikanerin Anne Hathaway haben es drauf und gehören zum Coolsten, was das Hollywoodkino derzeit zu bieten hat. In ihrer ersten gemeinsamen Arbeit Glam Girls – Hinreißend verdorben setzen nun beide ihre Stärken ein und ergänzen sich dabei perfekt. Wie so oft hat Wilsons Spielweise etwas (im beste Sinne) Fahriges: Wie sie Dialogzeilen zerdehnt oder wegnuschelt, wie sie verwirrte Blicke einwirft, als hätte es nie eine Probe gegeben und als sei alles völlig spontan nach Lust und Laune hinimprovisiert – das hat auch diesmal wieder etwas äußerst Einnehmendes. Hathaway bildet wiederum das exakte Gegenstück dazu: Aus ihrer tadellosen Körperbeherrschung, ihrem pointierten Agieren und dem Kontrast zwischen märchenprinzessinnenhaftem Look und eiskalter Agenda entsteht eine treffsichere Komik.

Unterstützt wird das Duo von einem Dritten, der in der Vermarktung von Glam Girls fast gänzlich unterschlagen wird, es aber tatsächlich schafft, den beiden Stars des Films auf Augenhöhe zu begegnen und eine Rolle, die ziemlich undankbar sein könnte, so zu interpretieren, dass man diese Figur am liebsten sofort heiraten möchte. Der aus der herrlichen Science-Fiction-Skurrilität How to Talk to Girls at Parties bekannte Alex Sharp ist der Mann, der zwischen die Fronten der von Wilson und Hathaway verkörperten Trickbetrügerinnen gerät – und man gönnt hier allen drei Beteiligten jeden kleinen und großen Triumph und sieht ihnen gerne dabei zu, wie sie sich abmühen, tanzen und tricksen, stürzen und sich wieder erheben.

Allerdings gab es schon lange keinen Film mehr, bei dem die Figureninterpretationen und das Talent des Casts auf der einen Seite und die Beschaffenheit des Drehbuchs sowie der Inszenierung auf der anderen Seite qualitativ so weit auseinandergingen, wie es bei Glam Girls der Fall ist. Chris Addison tut in seiner ersten Spielfilmregie gut daran, seinem Trio etliche Freiheiten zu gewähren. Sobald das Skript die Mitwirkenden jedoch in irgendeine alberne Plotkonstruktion hineinzwängt, kommt alles ins Stocken – bis es Wilson, Hathaway und Sharp wieder gelingt, sich freizuspielen. Glam Girls ist ein loses Remake der Gaunerkomödie Zwei hinreißend verdorbene Schurken (1988), die wiederum auf Zwei erfolgreiche Verführer aus dem Jahre 1964 basiert. Dass die männliche Betrügerei einer weiblichen weicht und dabei ein paar kluge Beobachtungen über die Behandlung und Einschätzung von Frauen in unserer Gesellschaft gemacht werden, ist mit Abstand das Beste, was sich über das Drehbuch sagen lässt. Davon abgesehen wartet es nur mit zu vielen misslungenen Ideen auf, von denen einige sogar richtig ärgerlich sind.

Erzählt wird von der Schwindlerin Penny (Wilson), die Männern mit abstrusen Geschichten über ihre erfundene Schwester Geld abknöpft. Als sie im Revier der Hochstaplerin Josephine (Hathaway) zu wildern beginnt, will diese sie möglichst schnell wieder loswerden. Josephine lässt sich aber nach einigen Fehlschlägen darauf ein, mit Penny zu kollaborieren; und so bringt sie dieser die wichtigsten Tricks bei. Als es erneut zum Konflikt kommt, gehen die beiden eine Wette ein: Wer zuerst an das Vermögen des jungen App-Entwicklers Thomas (Sharp) gelangt, darf die schicke Gegend an der Französischen Riviera für sich allein beanspruchen.

Wenn Josephine und Penny zwei extrem unterschiedliche Schwestern mimen, um heiratswillige Millionäre reinzulegen, und Penny dabei erwartungsgemäß als abschreckendes Ekel in Erscheinung tritt, vermag das ebenso wenig zu zünden wie die dumme Idee, dass Penny sich als Blinde ausgibt, um Thomas’ Mitgefühl zu erregen. In diesen Passagen ist Glam Girls bedauerlicherweise überaus schlecht, eine Ansammlung von groben, unsensiblen Gags, die freudlos verpuffen. Ein hübsch animierter Vorspann und eine musikalisch gekonnt unterlegte Montagesequenz, die Pennys „Training“ einfängt, sind recht gut geraten – ansonsten lebt das Werk einzig und allein vom Schauspiel und dem, was Wilson, Hathaway und Sharp ihren Parts durch einen verkniffenen Blick hier, ein wunderbar gekünsteltes Lachen da oder eine überraschende Geste dort mitgeben. Man möchte dieses Trio wirklich gerne wiedersehen – aber bitte in einem besseren Film, entweder mit einem sorgfältiger verfassten Skript oder einfach ganz ohne Drehbuch.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/glam-girls-hinreissend-verdorben-2019