Cats (2019)

Felliges Treiben

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Der erste Trailer von "Cats" rief Entsetzen und Spott hervor: Größenverhältnisse schienen nicht zu stimmen, weibliche Katzen hatten auf einmal Brüste und die Idee, bekannte SchauspielerInnen und SängerInnen mittels CGI in Katzenfell zu packen, erschien absurd bis verstörend. Die gute Nachricht: Die Größenverhältnisse sind im gesamten Film weitaus besser gelungen. Brüste und irritierende Katzenprominenz sind indes geblieben.

Inhaltlich bleibt Tom Hooper in seiner Adaption nah beim Musical: Die niedliche Katze Victoria (Francesca Hayward; dt. Stimme Julia Scheeser) wird ausgesetzt, sie trifft auf die Jellicle Cats, die einmal im Jahr den Jellicle Ball veranstalten. In der Eröffnungsnummer wird sie vom Kater Munkunstrap (Robbie Fairchild; dt. Stimme Patrick Stanke) in diese Gepflogenheit eingeführt: Auf diesem Ball entscheidet Old Deuteronomy (Judi Dench; dt. Stimme Kerstin de Ahne, Gesang: Marion Martienzen), wer in den sphärischen Raum aufsteigen und ein weiteres Leben beginnen darf. Im Folgenden werden dann die KandidatInnen jeweils mit einer Musicalnummer vorgestellt.

Tatsächlich wird in diesem menschenlosen Film fast ausschließlich gesungen und getanzt. Cats ist eine Nummernrevue, daran ändert auch der notdürftige Rahmen einer Bedrohung durch den bösen Kater Macavity (Idris Elba, dt. Stimme Tommy Amper) wenig. Musik und Gesang stammen mit Ausnahme eines Liedes aus Andrew Lloyd Webbers Musical. Das ist schmissig, bisweilen aus den 1980er Jahren in die 2010er Jahre hineinmodernisiert. Tatsächlich sind es dann vor allem die großen Ensemblenummern, die zumindest erahnen lassen, was im Film möglich gewesen wäre: Sobald viele Katzen das Bild bevölkern und man sich an die stets irritierend steil aufstellenden Katzenschwänze gewöhnt hat, deutet sich zumindest eine Illusion an. Dazu trägt insbesondere bei, dass die Rollen der Katzen, die viel tanzen, auch mit tatsächlichen TänzerInnen besetzt wurden. Jedoch können auch sie nur wenig gegen den Zusammenprall vom möglichst realistischen Eindruck des Katzenfells mit dem kulissenhaften Setdesign ausrichten. Sei es auf der Treppe bei „Mungojerrie und Rumpleteazer“ oder auf den Eisenbahnschienen bzw. in dem Zugabteil bei „Skimble von der Eisenbahn“ – das CGI ist zu deutlich zu erkennen und erinnert sofort daran, dass hier viel Geld in etwas gesteckt wurde, das nicht ganz gelungenen ist. Und es wäre noch nicht einmal nötig gewesen. Was diese TänzerInnen zeigen, hätte keine Superlative, keine besonderen Sprünge oder verlangsamte Drehungen gebraucht, es wäre auch so spektakulär genug gewesen.

Hier zeigt sich sehr deutlich, dass es eine gute Entscheidung war, zumindest die tanzintensiven Nummer mit wenig bekannten Filmgesichtern zu besetzen: Francesca Hayward und Robbie Fairchild kommen vom Ballett, sie bewegen sich mit einer Selbstverständlichkeit in diesen Katzenkostümen, die insbesondere den prominenten Cast-Mitgliedern fehlt. Auffällig ist auch Mette Towley als Cassandra, die mit nur wenigen Einstellungen Eindruck hinterlässt.

Die prominenten Namen mögen Aufmerksamkeit generieren, aber im Film bleibt es dabei: Es ist Ian McKellen in einem Katzenkostüm mit Kleidung. Taylor Swift in einem Katzenkostüm mit High Heels. Judi Dench trägt über ihrem Katzenkostüm einen Fellmantel in identischem Farbton und liegt schließlich in einem mit Fellen ausgelegten Korb. All diese prominenten Namen bewegen sich nicht aus ihrem Off-Screen-Image heraus: Jason Derulo – noch der Beste unter ihnen – ist verführerisch. Jennifer Hudson sehr, sehr verzweifelt. Rebel Wilson versucht zu brüskieren. Ohnehin dürfen auch dicke Katzen im Film nur das machen, was dicke Figuren in Filmen so oft tun: Ungeschickt sein, stolpern, essen und sich der Lächerlichkeit preisgeben, aber immer schön mit einem selbstironischen Augenzwinkern. Sie tragen Fell, das täuschend echt aussieht. Aber ihre Gesichter sind viel zu bekannt, um jemals nur im Ansatz zu vergessen, dass das Idris Elba in einem Katzenkostüm ist – mit einer auffälligen Lücke in der Mitte des Körpers.

Bleibt also die Musik, die in der deutschen Synchronfassung auch die deutschen Musicaltexte enthält. Gerade bei Judi Dench und Ian McKellen hätte man sich überzeugendere Gesangsstimmen gewünscht. Und ausgerechnet der emotionalen Höhepunkt des Films, das Lied "Erinnerung", ist irritierend: Es ist fraglos sehr schwierig, in der Synchronisation zu singen – und tatsächlich stimmen die Lippenbewegungen Jennifer Hudsons mit dem gesungenen Text weitgehend überein. Aber es fehlt trotz aller zu hörenden Bemühungen der letzte emotionale Kick, den diese so oft gesungene und so bekannte Ballade braucht. Es ist unwahrscheinlich, dass zwei Sängerinnen zur selben Zeit exakt dieselben Dinge fühlen, zumal Jennifer Hudson hier sehr dick aufträgt. Aber vor allem das typische Tom-Hooper-Close-up scheint hier Synchronsprecherin und Musicaldarstellerin Patricia Meeden zurückzuhalten.

Insgesamt ist Cats in wenigen Momenten durchaus anzumerken, dass Tom Hooper mit seinem Film ein Erlebnis schaffen wollte. Mit dem letzten Tropfen glitzerndem „cat nip“ will er das Publikum bezaubern – jedoch hätte er dafür ein noch größeres Risiko eingehen müssen, als lediglich einen Film über singenden Katzen zu drehen: er hätte komplett auf eine Besetzung setzen müssen, die alleine durch ihr Musicaltalent besticht.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/cats-2019