7500 (2019)

Ausgerechnet Hannover

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

„7500“ lautet der international gültige Transponder-Code für eine Flugzeugentführung und insofern weiß zumindest das fachkundige Publikum gleich, was es in Patrick Vollraths Film mit dem gleichnamigen Titel erwartet.

Alles beginnt mit den Vorbereitungen für einen ganz normalen Routineflug einer fiktiven Fluggesellschaft von Berlin nach Paris. Im Cockpit des Airbus A319 befinden sich der Kapitän Michael Lutzmann (Carlo Kitzlinger) und dessen Co-Pilot, der aus den USA stammende Tobias Ellis (Joseph Gordon-Levitt), die die Passagiere sicher in die französische Hauptstadt bringen sollen. Doch schon kurz nach dem Start zeigt sich, dass der Flug keine Routineangelegenheit ist. Vier Männer, mutmaßlich fanatische Islamisten, setzen zum Sturm auf das Cockpit an, um den Flieger in ihre Gewalt zu bringen. Mit knapper Not gelingt es Lutzmann und Ellis, den Angriff abzuwehren und einen der Terroristen kampfunfähig zu machen, doch der Preis ist hoch; Lutzmann ist schwer verletzt und verblutet langsam. Und sein Co-Pilot hat einen unbrauchbar gewordenen Arm und die Gewissheit, dass ihm und seinen Passagieren Unheil und womöglich sogar der Tod droht, wenn er den Angreifern nicht den Zutritt zum Cockpit gewährt.

Ganz auf sich allein gestellt muss Ellis nun Entscheidungen treffen, verhandeln, taktieren, den Flieger unter Kontrolle behalten - und letztendlich hilflos dabei zusehen, wie die Terroristen seine Lebensgefährtin, die Stewardess Gökçe (Aylin Tezel), mit der er einen gemeinsamen Sohn hat, und andere Passagiere umzubringen drohen. Eine Notlandung in Hannover soll die brisante Lage an Bord entschärfen, dort warten Rettungs- sowie Spezialkräfte und ein bestens geschulter Unterhändler der Polizei. Doch für die zu allem entschlossenen Terroristen geht es nicht um Lösegeld, sondern um etwas ganz anderes.

Ein deutscher (bzw. deutsch-österreichischer) Thriller über eine Flugzeugentführung mit einem internationalen Star wie Joseph Gordon-Levitt (Inception, Don Jon) lässt zunächst mal aufhorchen - weil solche Stoffe nicht gerade das sind, wofür das deutsche Kino bekannt ist. Und schon der Beginn lässt erahnen, dass sich der Film einiges vorgenommen hat. Allein durch die Bilder der Überwachungskameras, die die Terroristen auf dem Berliner Flughafen vor dem Besteigen der Maschine zeigen, entsteht ein bedrückendes Gefühl der Bedrohung, das wenig später mit den Routinechecks der beiden Piloten und der Crew kontrastiert wird. Später dann bleibt die Kamera allein im Cockpit und greift das Motiv des Epilogs wieder auf, Geschehnisse nur über Bildschirmaufnahmen zu zeigen und verstärkt so den Eindruck des Eingeschlossenseins, der Enge und Hilflosigkeit noch weiter. Positiv bemerkbar macht sich auch der Verzicht auf einen Score, 7500 vertraut vor allem auf die weitgehend authentische Geräuschkulisse, die hier freilich durch das Geschehen auf der Leinwand bedrohliche Untertöne bekommt.

Leider kann 7500 am Ende - und gerade dort - die aufgebauten Erwartungen nicht erfüllen, sondern baut mit dem 18-jährigen Vedat (Omid Memar), dem jüngsten der Terroristen, eine Figur auf, die vor allem an manchen schiefen Drehbuchentscheidungen leidet und deren Motivation und Notlage sich zu keinem Zeitpunkt wirklich erschließt. An dieser Stelle verliert der Film deutlich an Zugkraft und Straigthness, wird hektisch, gefühlig und erliegt den urdeutschen Untugenden der Psychologismen, die bei genauerer Betrachtung genauso dünn sind wie die Luft im Cockpit.

Überhaupt fällt eines auf an 7500 - und das ist bei Licht und jenseits aller formaler Bemühungen der große Minuspunkt dieses Filmes: Wie sein Protagonist Tobias Ellis scheut auch der Film den Blick auf das Schicksal der anderen, das allenfalls als abstrakte Behauptung im Raum des Cockpits steht: Wenn es unangenehm wird, schaltet Ellis den Monitor, der ihn einen Blick auf das Geschehen vor der Cockpittür werfen lässt, einfach ab. Und so wird ein Film über menschliche Schicksale in Ausnahmesituationen zu einem Buddy-Movie, bei dem Frauen vor allem als Opfer und Mütter interessieren.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/7500-2019