This Mountain Life - Die Magie der Berge (2018)

Eine Feier der Natur

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Episch kann man die Reise nennen, die die Rahmenhandlung von Grant Baldwins Dokumentarfilm This Mountain Life - Die Magie der Berge bildet. Aber vielleicht auch ein wenig verrückt. Zu zweit und ohne technische Hilfsmittel wollen die Lawinenexpertin Martina Halik und ihre 60-jährige Mutter Tania die Berglandschaft von British Columbia im Nordwesten Kanadas durchqueren. Von Squamish bis nach Alaska wollen sie allein laufen – und zwar zu Fuß oder auf Skiern. Versorgt werden die beiden Abenteuerinnen vorwiegend aus der Luft, ein Freund wirft getrockneter Essensrationen aus einem Kleinflugzeug ab. Die Strecke, die sie dabei zurücklegen werden, umfasst unglaubliche 2300 Kilometer und führt sie im Wesentlichen durch die winterlich verschneiten, majestätischen bis zu mehr als 4000 Meter aufragenden Coast Mountains.

Dass sich Tochter und Mutter am Ende der Reise nähergekommen sind, ist jetzt nicht völlig überraschend, sondern war so vielmehr zu erwarten, was die Leistung der beiden aber keineswegs schmälert. Ebenso beeindruckend sind die Bilder und die Menschen, die Grant Baldwin immer wieder findet: Eine Nonne in ihrem Gewand beim Langlauf, ein stoischer Schneekünstler, der in 12-stündiger beschwerlicher Arbeit einen Schneekristall auf eine nicht leicht erreichbare Fläche irgendwo oben in den Bergen stapft und sich dabei sichtlich verausgabt. Oder der knorrige, aus Deutschland stammende Künstler Bernhard Thor, der mit seiner Partnerin Mary der schroffen Berglandschaft ein Haus abgetrotzt hat, das wirkt, als habe sich Friedensreich Hundertwasser im Niemandsland von British Columbia ausgetobt. 

Zum Teil sind die Menschen, die der Film am Wegesrand aufspürt, mit den beiden Protagonistinnen verbunden – wie etwa der Fotograf Todd Weselake, der bei dem Ausflug in die Berge mit seinen beiden Freunden Janina Kuzma und Ian Bezubiak von einer gigantischen Lawine verschluckt wurde und wie durch ein Wunder überlebte. Weselake wird später der Pilot sein, der Martina und ihre Mutter aus der Luft mit Proviant versorgt. Sonst aber ist es eher unklar, ob es Verbindungen zwischen den episodischen Begegnungen und der rahmenden Reise gibt.

This Mountain Life - Die Magie der Berge atmet wie viele andere Naturfilme den Geist des Quasi-Religiösen und Erhabenen – immer wieder verfällt der Film in die Vogelperspektive (im Englischen wird dies nicht umsonst und viel passender als God’s View bezeichnet) und zeigt auch sonst den Menschen als winzig klein im Vergleich zur ihn umgebenden Natur. Fast immer ist die Kamera in leichter, schwebender Bewegung, hält sich wenig mit Detailaufnahmen auf, sondern zeigt das beeindruckende Panorama in gewaltigen Totalen. Dazu passend schwelgt die Musik gerne in satten Streicherpassagen, während es bei den Befragten kaum je um deren alltägliches Leben, sondern vielmehr um Sinnhaftigkeit und einem erfüllten Leben, Ehrfurcht vor der Natur und der Schöpfung sowie um andere bewegende Fragen eher universeller Natur geht. 

Nur ganz selten lockert der getragene Tonfall der Erzählung ein wenig auf: Wenn etwa Schwester Claire im Ordensgewand und auf Langlaufskiern die Winterlandschaft durchpflügt. Oder wenn der Film zum ersten Mal Bernhard Thor zeigt und dieser dabei fast so wirkt, als entstamme er einer bisher unbekannten Episode von Twin Peaks. Dann bekommt Grant Baldwins Film ganz unvermutet neben allem Ernst urplötzlich eine fast verschmitzte Note, die man sich bei aller Ehrfurcht ein wenig häufiger gewünscht hätte.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/this-mountain-life-die-magie-der-berge-2018