Easy Love (2019)

Echte Liebe

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Sieben Protagonisten. Und die Liebe. Liebe: Das ist Sehnsucht, Leidenschaft, Befriedigung, Lust, Eifersucht, Verzweiflung, Misstrauen. Zusammensein. Intimität. Glück. Auf jeden Fall ist die Liebe nicht so „easy“, wie der Filmtitel suggeriert. Oder doch? Tamer Jandali stürzt sich hinein in die Emotionen seiner Protagonistinnen und Protagonisten – "Easy Love" ist eine Art Scripted Documentary, die Charaktere werden von Laien dargestellt, die sich mehr oder weniger selbst spielen.

Der Anfang sieht tatsächlich nach Dokumentarfilm aus: Interviews mit den Filmfiguren – oder ihren Darstellern? –, die über ihren Blick auf die Liebe reden. Dann Bilder mit langer Brennweite aus der Entfernung auf kleine Alltagssituationen, bevor die wirkliche Handlung beginnt: Eine Filmhandlung, die angelehnt ist an die Laiendarsteller, an ihr Leben vermutlich, mit Sicherheit an ihre Fantasien.

Eine zieht zurück zu ihrer Mutter, die mit ihren drei Schwestern zusammenlebt, aus einer Liebesenttäuschung heraus – kein einfaches Unterfangen, so viele unter einem Dach. Vor allem, weil Sophia ein einträgliches Hobby hat: Sie lässt sich daten, gegen Geld. Nein, eine Nutte will sie nicht sein! Es macht ihr ja Spaß! Eine Therapeutin hat sie trotzdem, weil sie mit ihrer Lebenssituation kaum zurechtkommt. Ein Pärchen führt eine offene Beziehung. Zumindest will sie, Stella, dass die Beziehung offen ist auf ihrer Seite. Ihr Freund Nic: Wenn der mal Spaß hat mit einer anderen, reagiert Stella gar nicht mehr so offen, wie sie es eigentlich vorhat in ihrem Lebenskonzept … Der interessanteste Charakter ist Sören, ein Jäger, so etwas wie der Wolf in Tex-Avery-Cartoons, immer auf der Jagd: Wie er über den Flohmarkt streift, die Augen schweifen lässt nach jungen Frauen, die er reißen kann! Und die sich reißen lassen: Es geht um Verführung, um Flirt, um Spaß, immer im Einvernehmen. Und natürlich geht es um Selbstbestätigung für Sören, der das Alter spürt … Und der irgendwann an einer Frau gerät, die ihm ebenbürtig ist. Die Episode, die, nun ja, am wenigsten Gehalt hat, ist eine Geschichte um die beiden jungen Frauen Lenny und Pia, die frisch zusammengekommen sind. Und bei denen eigentlich nichts passiert – was ja durchaus auch drin ist, wenn das Konzept vorsieht, sich am Leben zu orientieren. Und das Leben ist eben manchmal einfach ein Zusammenfinden, ein Beieinandersein, ein Streit. Und ein Irgendwiegehtsweiter.

Dies herauszuarbeiten ist kein geringes Verdienst von Jandalis Film: Ein vielfältiges Panorama der Liebe, dramatisch, sexy und dabei mit einer persönlichen Note der ProtagonistInnen, die stets spürbar ist. Das wirkliche Leben ist immer spürbar, zugleich geht der Film hinüber in das Reich der Fiktion, indem er eintaucht in konstruierte Lebenswege: Die Biographien sind gescriptet, wenn auch auf der Realität basierend. Doch sie sind nicht privatfernsehmäßig proletenhaft und populistisch, sondern in einem Zwischenreich, zwischen Authentizität und Künstlichkeit. Und dabei durchaus erotisch, mit einigen sehr sinnlichen Szenen der Intimität. Im Ganzen ein gelungener Liebes-Episodenfilm, frisch, frech, fröhlich, frei.

Quelle: www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer-streaming/easy-love-2019